Cuxland

Fahren im Alter: Sind Senioren eine Gefahr im Straßenverkehr?

Mit dem Alter werden viele Autofahrer unsicher. Durch Fahrtests könnten Verkehrsteilnehmer über 70 ihre Fahrtauglichkeit beweisen, schlägt die EU vor. Ein Elmloher fährt mit fast 90 noch 30.000 Kilometer im Jahr. Zu Tests hat er eine klare Meinung.

Älterer Mann mit schwarzer Mütze lehnt sich auf die Fahrertür seines schwarzen PKW.

Wilhelm Brickwedel aus Elmlohe wird im Herbst 90 Jahre alt. Auf das Autofahren will er noch nicht verzichten. Deshalb hat der Rentner einem Fahrtest gemacht.

Foto: Levin Meis

Mehr als 18 Millionen Menschen in Deutschland sind 65 oder älter - sechs Millionen mehr als noch vor dreißig Jahren. Simultan zur demografischen Entwicklung in der Bundesrepublik steigt auch das Alter der Verkehrsteilnehmer.

In Spanien, Großbritannien oder der Schweiz sind regelmäßige gesundheitliche Tests für Führerscheininhaber bereits die Regel. In Deutschland werden ähnliche Maßnahmen wiederkehrend diskutiert - bisher ohne Ergebnis. Die EU-Kommission schlägt aktuell vor, Autofahrer ab 70 Jahren könnten alle 5 Jahre ihren Führerschein durch einen Fahrtauglichkeitstest verlängern lassen. Die Debatte sorgt auch im Landkreis Cuxhaven für Gesprächsstoff.

Mit 89 Jahren immer noch viel unterwegs

Wilhelm Brickwedel wird in diesem Oktober 90 Jahre alt, mit dem Autofahren hat er nie aufgehört. Der Elmloher hat seinen Führerschein 1960 ausgestellt bekommen. Das Fahren lernte er in seinem VW-Käfer damals noch selbst. Mehr als 60 Jahre später fährt der Handwerker noch Auto, Lastwagen und Motorrad. „Ich bin viel unterwegs. 30.000 Kilometer im Jahr kommen da schon zusammen“, erzählt der Rentner. Vor vier Jahren ließ der Pensionär sich seine Fahrtüchtigkeit in einer Bremerhavener Fahrschule bestätigen. Außer ein paar Kleinigkeiten hatte der Fahrlehrer nichts zu bemängeln. „Ich kann das nur empfehlen“, meint der Elmloher.

Die meisten Testteilnehmer schneiden in der Regel gut ab

Klaus Lüttig ist als Fahrlehrer im Kreis Cuxhaven und in Bremerhaven tätig. Für den ADAC führt er regelmäßig Fahrfitnesstests mit Senioren durch. „Die Tests werden unterschiedlich angenommen. Im Schnitt kommen etwa drei im Monat zu mir“, berichtet Lüttig.

Die Gründe, warum ältere Menschen auf ihn zukommen, sind unterschiedlich. Die meisten kämen aus eigener Motivation oder auf Anraten der Familie in die Fahrschule. Ganz unabhängig vom Alter schnitten die Leute zu 90 Prozent gut ab, berichtet Lüttig. „In der Regel kommen eher die, die wissen, dass sie sicher fahren. Schlechte und unsichere Fahrer tauchen hier kaum auf“, sagt der Experte.

Zudem sei es so, dass überwiegend Männer das Angebot wahrnähmen. Die würden sich bei schlechtem Fahrverhalten allerdings auch meist rausreden. „Frauen sind da deutlich kritikfähiger“, sagt Lüttig. Wer nach Lüttigs Begutachtung schlecht abschneidet, muss keine weiteren Konsequenzen fürchten. „Es gibt dann eine moralische Ermahnung“, sagt Lüttig, „mehr nicht.“

Darum ist das Auto für Wilhelm Brickwedel (89) so wichtig
Kaum Busse und keine Bahnanbindung: Wer auf dem Land wohnt, ist meist auf sein Auto angewiesen. Auch Wilhelm Brickwedel steigt mit 89 Jahren noch hinters Steuer.

Fragt man Senioren aus der Region, können sich viele gut vorstellen, ab einem gewissen Alter an Tests teilzunehmen. „Viele Leute sind zu alt zum Autofahren und gesundheitlich nicht mehr vollständig in der Lage, komplexe Situationen im Verkehr zu meistern“, sagt beispielsweise eine 79-jährige Frau aus Spaden. Ein Leben ohne Führerschein ist für viele der älteren Leute allerdings nicht denkbar. „Besonders die Menschen auf dem Land sind auf ihr Auto angewiesen“, sagt Werner Krause, „da es in vielen Dörfern im Cuxland an Mobilitätsalternativen und örtlicher Versorgungsstruktur mangelt.“

Autofahren ist auf dem Lande oftmals alternativlos

Um dieses Problem weiß auch Klaus Lüttig. „Ist jemand nicht mehr fahrtauglich, gucken wir gemeinsam mit den Angehörigen, wie die Alternativen aussehen. Man muss die Leute unterstützen und beraten. Die Angst abgehängt zu werden, ist besonders auf dem Land stark verbreitet“, weiß Lüttig aus zahlreichen Gesprächen.

Wilhelm Brickwedel sieht sich in Elmlohe ohne Fahrzeug an sein Haus gebunden. Einkaufen in Bederkesa wäre für ihn nicht weiter möglich. Wie Brickwedel ginge es da vielen Senioren. Im Amtsbezirk Lüneburg waren 2021 mehr als 40 Prozent älter als 65 Jahre - gemessen am Durchschnitt wären das im Landkreis Cuxhaven etwa 80.000 Menschen.

Sieht man sich die Polizeistatistiken im Kreis an, wird deutlich, dass 2021 die Zahl der an Unfällen beteiligten Senioren, diejenigen der Fahranfänger zwischen 18 und 24 nicht eklatant übertrafen. Die Zahl der Verletzten bei jungen Beteiligten war sogar etwas höher. Wer die Hauptschuld bei diesen Unfällen trug, erfasst die Statistik allerdings nicht.

Checks an Verlängerung der Fahrerlaubnis koppeln

Brickwedel heißt Fahrtests für ältere Menschen allgemein für gut. Diese sollten aber freiwillig bleiben. „Viele sind im Alter von kniffligen Situationen überfordert“, sagt der 89-Jährige, da seien Auffrischungskurse eine gute Sache. Klaus Lüttig geht da etwas weiter. Er findet es schwierig, solche Tests nur bei Älteren durchzuführen.

„Ich würde sagen, jeder muss den machen - ohne Diskussion.“ Denkbar für Lüttig wäre ein Konzept, dass gesundheitliche Checks an die Verlängerung der Fahrerlaubnis koppelt. Bei jüngeren Verkehrsteilnehmern wären das alle 15 Jahre. „Ab 50 wären Verlängerungen alle 10 und ab 70 alle 5 Jahre eine gute Idee“, meint Lüttig.

Wilhelm Brickwedel ist sich sicher, dass er noch lange fahren möchte. Das unterstützt auch seine Familie. Nur das Motorrad, das soll der bald 90-Jährige in Zukunft lieber stehen lassen, meint die Verwandtschaft. Als Autofahrer bleibe er jedoch eine wichtige Hilfe.

Levin Meis

Volontär

Als gebürtiger Ostwestfale ist Levin Meis nach einem Studium der Medienkulturwissenschaft und der Geschichte ganz im Süden Deutschlands, in Freiburg, in den hohen Norden gekommen. Bei der NORDSEE-ZEITUNG lernt er als Volontär das Handwerk des Journalisten in allen Facetten.

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