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Ich bin schwer genervt von „tatsächlich“

Ich bin schwer genervt von „tatsächlich“

Ich mag unsere Sprache und ich mag es, anderen beim Sprechen zuzuhören. Was ich gar nicht mag, ist der inflationäre Gebrauch von immer denselben Wörtern oder von Floskeln. Besonders regt mich schon seit Monaten das Wörtchen „tatsächlich“ auf, das in jeden zweiten Satz eingeflochten wird und mir jede Talkshow, Kochsendung und viele andere Formate vermiest. Ich bin schwer genervt von dem sinnlosen Gebrauch von „tatsächlich“ und reagiere mittlerweile körperlich: Sobald ich jemanden „tatsächlich“ sagen höre, fühle ich mich kurz unwohl. In den letzten Monaten habe ich mich oft unwohl gefühlt. Eigentlich habe ich nichts gegen das Wort. Es kann durchaus sinnvoll sein zur Hervorhebung einer Tatsache, die wider Erwarten eingetreten ist („Sie hat tatsächlich mit ihm Schluss gemacht“). Auch als Adjektiv hat es seine Berechtigung. In „das tatsächliche Einkommen“ finde ich es passend und aussagekräftig. Besonders lästig ist es allerdings am Satzanfang und so überflüssig wie ein Kropf: „Tatsächlich war ich gestern beim Sport“, „Tatsächlich wohne ich in Bremen“. Achten Sie in Zukunft mal auf dieses Füllwort und Sie werden merken, dass man regelrecht umzingelt wird davon. Manchmal lauert das Wort auch am Satzende. Man meint schon, ihm entkommen zu sein, da wird es noch schnell hinten drangehängt: „Ich fliege morgen nach Paris - tatsächlich.“ Zwei Fragen, die sich mir stellen, sind: „Wer hat damit angefangen?“ und „Wie kann sich eine Marotte so durchsetzen?“ Tatsächlich weiß ich es nicht.

Sabine Schmidt

Reporterin

5 Kommentare
Jeannie 28.05.202422:27 Uhr

Inzwischen habe ich eine entsprechende Marotte entwickelt. Wenn jemand ständig "tatsächlich" sagt, reagiere ich fast sofort mit der Frage "tatsächlich"? Die gleichen Personen verwenden übrigens auch ungewöhnlich oft das Wort "genau", um ihre eigenen Aussagen zu bestätigen. Beides dient meines Erachtens dazu, einer inhaltlichen Leere der eigenen Aussagen Gewicht zu verleihen (die Person ist sich dieser Leere irgendwie bewusst). Die Aussagen sind keineswegs so ungewöhnlich, wie sie es sich wünschten. Es sind banale Aussagen, die ganz selbstverständlich geäußert werden könnten, die vom Gegenüber ganz selbstverständlich aufgenommen werden könnten. Ganz normales Leben. Aber das scheint nicht genug zu sein, so dass man sich am Ende nur noch mit sich selbst unterhält und bestätigt. Das "tatsächlich" ersetzt also im Grunde den Einschub: "Ich weiß, es ist unglaublich, aber ich bin so besonders, ich habe dies, das, das.... "

Dagan 12.04.202416:24 Uhr

mich nervt dieses wort "tatsächlich" sehr, es wird von schnöseligen leutet permanemnt genutzt...

Heinz Kulenkampff 20.03.202407:53 Uhr

Achtet mal drauf, der Quiz-Fuzzi Pilawa benutzt es in jedem zweiten Satz

Daniel K. 19.11.202318:52 Uhr

Es wäre nett, verwiesen sie, bei Gebrauch diverser Satzbausteine oder Übernahme des Grundtenors, auf den Ursprung. Herr Tobias Haberl hat sich bereits 2022 in seinem Artikel "Warum sagen plötzlich alle »tatsächlich«?", in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht, mit dem Thema befasst und mir scheint, er sei Ihnen wohlbekannt. Unschöner Stil.
MfG

Sarah S. antwortete am 17.01.202407:36 Uhr

Ich möchte mich Herrn K. anschließen. Ich finde es sehr bedenklich, hier wörtlich Sätze aus einem anderen Artikel (Süddeutsche Zeitung Magazin, "Warum sagen plötzlich alle »tatsächlich«?" von Tobias Haberl, 21. JULI 2022) zu plagiieren. Schwach!

Karin Schmitt 23.07.202314:48 Uhr

Mir ist es zuerst so gegen 2018 in der Sendung Shopping Queen aufgefallen. Danach war sein Siegeszug nicht mehr zu stoppen. In den Sport – Übertragungen hat es ein wenig das "sehr sehr" verdrängt. Das "sehr sehr" ist mir davor auch immer auf den Keks gegangen. Mittlerweile wird aber "sehr sehr" und "tatsächlich" parallel benutzt. Meiner Meinung nach ist das "sehr sehr" von heute das "geht so" von gestern. Hören sich die Leute eigentlich nie selber zu? Von der inflationären Benutzung des Wortes "genau" habe ich dabei noch gar nicht angefangen.

Wil Howig antwortete am 06.05.202409:51 Uhr

Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass dieses semantische Papageiendeutsch ein Zeichen unserer sinnentleerten deutsch Sprache ist. Was mich so verwundert, dass diese exponentiellen gebrauchten Floskeln tagtäglich von Journalisten, Politikern, Moderator-/innen gebraucht werden. Offensichtlich ein Kopiermechanismus für viele andere, da es ja einfacher ist, nachzuplappern als selber zu denken. Mehr Achtsamkeit ist angebracht.

Susanne Engel-Rosenkranz antwortete am 15.03.202419:52 Uhr

Grundsätzlich ists doch egal von wem man welche Sätze übernommen hat. Grundsätzlich nervt das Wort, welches immer unnötigerweise angehängt wird. Wir haben doch alle mal in der Schule gelernt, wie man Sätze bildet. Dieses Wort sollte in den Schulen im Deutschunterricht gelehrt werden, wie man es richtig anwendet.
Mich nervt es auf jeden Fall.





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