Wirtschaft
Handelsketten nehmen Abschied vom Billigfleisch
Große Händler wie Aldi, Rewe und Lidl setzen bei Frischfleisch-Eigenmarken zunehmend auf bessere Tierhaltung. Was steckt hinter dem Abschied vom Billigfleisch - und was bedeutet es für die Preise?

Bei Haltungsform 1 gelten die gesetzlichen Mindestanforderungen. (Archivbild)
Foto: Rolf Vennenbernd
Fleisch aus der untersten Haltungsform-Stufe wird es für die Kunden vieler Supermärkte und Discounter in Deutschland bald nicht mehr zu kaufen geben. Denn der Lebensmittelhandel setzt immer stärker auf Fleisch mit etwas besseren Tierhaltungsbedingungen - insbesondere bei den Eigenmarken, die einen großen Teil des Angebots ausmachen.
Ob Schwein, Rind oder Geflügel: Aldi Süd hat angekündigt, ab Mitte Januar kein Eigenmarken-Frischfleisch der niedrigsten Haltungsform 1 mehr anzubieten. Ausgenommen sind Markenartikel und internationale Spezialitäten. Auch Rewe und Penny wollen dann mindestens auf Haltungsform 2 umgestellt haben. Lidl hatte sich dieses Ziel für Ende Februar 2026 gesetzt - und im Wesentlichen bereits erfüllt, wie eine Sprecherin mitteilte.
Aldi Nord, Kaufland, Edeka und Netto gaben sich etwas bedeckter. Bei Schwein und Geflügel sei man bereits auf höhere Haltungsformen umgestiegen. Ziele für einen Komplettumstieg ihrer Eigenmarken nannten die Händler auf Anfrage aber nicht. Heißt: Frisches Rindfleisch der untersten Stufe findet sich in den Kühlregalen dieser Geschäfte noch. Aldi Nord begründete das unter anderem mit dem knappen Angebot an Fleisch aus höheren Haltungsformen. Außerdem seien die starken Preissteigerungen bei Rindfleisch der vergangenen Monate eine große Herausforderung. Man bemerke unter anderem eine spürbare Preissensibilität bei den Kundinnen und Kunden, teilte ein Sprecher mit.
Händler wollen bis 2030 umsteigen
Das übergeordnete Ziel der Händler steht aber: Bis 2030 wollen die großen Ketten das gesamte Frischfleischangebot ihrer Eigenmarken in Deutschland vollständig auf Stufe 3 und höher umstellen. Vorausgesetzt, es gibt genug Ware, wie die Unternehmen immer wieder betonen. Den Schritt hatten Aldi Nord und Süd im Juni 2021 zuerst angekündigt.

Die großen Handelsketten wollen bis 2030 auf höhere Haltungsformen umsteigen. (Archivbild)
Foto: Rolf Vennenbernd
Die Haltungsform ist ein freiwilliges Kennzeichnungssystem für Fleisch und verarbeitete Produkte von Schwein, Rind und Geflügel. Es gibt fünf Stufen mit wachsenden Anforderungen an die Tierhaltung. Bei Stufe 3 haben Tiere mehr Raum und Frischluft-Kontakt, bei Stufe 4 Auslaufmöglichkeiten im Freien, die Stufe 5 entspricht den „Bio“-Standards.
Foodwatch: Abschied von Haltungsstufe 1 nur ein Mini-Schritt
Der Abschied vom sogenannten Billigfleisch ist nur eine Zwischenetappe auf dem Weg, den viele Handelsketten bereits vor Jahren eingeschlagen haben. Dennoch sieht Marketing-Professor Stefan Rohrbach von der Hochschule der Medien in Stuttgart darin einen Erfolg: „Kundinnen und Kunden kaufen damit automatisch Fleisch, das über dem Mindeststandard liegt. Ein Schritt, der Nachhaltigkeit im Alltag greifbar macht.“ Wichtig sei jedoch zu verstehen, was die höheren Haltungsformen bedeuten. Zum Beispiel, dass die Tiere mehr Platz haben und unter besseren Bedingungen leben. „Nur dann erkennen Verbraucher auch einen wirklichen Fortschritt.“
Kritik übte die Verbraucherorganisation Foodwatch. Der Verzicht auf Haltungsform 1 sei nur ein Mini-Schritt mit kosmetischen Verbesserungen, sagte Geschäftsführer Chris Methmann. „Auch in Haltungsstufe 2 sind beispielsweise Mastschweine eingepfercht auf einer Fläche, die kleiner ist als ein Quadratmeter, die Tiere haben nur ein paar lächerliche Quadratzentimeter mehr Platz als in Stufe 1.“
92 Prozent für bessere Tierhaltungsbedingungen
Für viele Verbraucherinnen und Verbraucher spielt Tierwohl eine wichtige Rolle. 44 Prozent der Menschen nehmen Produkte mit höherer Haltungsform als gesünder wahr, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zeigt. Wie aus dem 2024 veröffentlichten Ernährungsreport des Bundeslandwirtschaftsministeriums hervorgeht, wünschen sich 92 Prozent bessere Tierhaltungsbedingungen, 84 Prozent sind die entsprechenden Angaben auf der Verpackung wichtig.

Für viele Verbraucherinnen und Verbraucher spielt Tierwohl eine wichtige Rolle. (Symbolbild)
Foto: Karl-Josef Hildenbrand
Konsumenten dürften den Umstieg weiter zu spüren bekommen: Fleisch aus höheren Stufen bedeutet einen höheren Produktionsaufwand für die Landwirte und ist daher kostspieliger. Bereits in den vergangenen Jahren sind die Preise deutlich gestiegen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts kostete Rinderhackfleisch im September gut 70 Prozent mehr als im Jahr 2020, Schweinehack 60 Prozent und frisches Geflügelfleisch 45 Prozent. Der Preisanstieg hängt jedoch nicht allein mit dem Haltungswechsel zusammen, sondern auch mit gestiegenen Kosten für Energie, Futter, Löhne und Logistik.
Branche: Weniger Fleisch aus unterster Haltungsform
Bei Fleisch im Supermarkt gab es zuletzt Bewegung zu Produkten mit besseren Tierhaltungsbedingungen. Bei Schweinefleisch aus dem Selbstbedienungsregal kamen nach letzten Daten für 2023 noch 1,5 Prozent aus der untersten Stufe 1. Von Puten und Hähnchen gab es im Kühlregal der Trägergesellschaft zufolge kein Fleisch aus der untersten Haltungsform mehr. In diesem Bereich dominierte die Stufe 2 („Stallhaltung Plus“) mit Anteilen um die 90 Prozent.
Bei Rindfleisch stammten 2023 hingegen noch mehr als drei Viertel aus Stufe 1. Die Formen 3 und 4 machten ein Fünftel aus. Die Daten beziehen sich auf Frischfleisch und Zubereitungen wie Hackfleisch der Eigenmarken, die einen Großteil des Angebots ausmachen.