Kino

Antikriegsfilm „Der Tiger“: Im Inneren des Panzers

Nach dem Oscarerfolg von „Im Westen nichts Neues“ kommt ein neuer Antikriegsfilm aus Deutschland ins Kino. Regisseur Dennis Gansel nimmt einen mit an die Ostfront 1943.

Von Julia Kilian, dpa
18. September 2025
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Ein neuer Antikriegsfilm aus Deutschland kommt ins Kino. Regisseur Dennis Gansel nimmt einen mit an die Ostfront 1943. (Archivbild)

Ein neuer Antikriegsfilm aus Deutschland kommt ins Kino. Regisseur Dennis Gansel nimmt einen mit an die Ostfront 1943. (Archivbild)

Foto: Marcus Brandt

Schon in den ersten Szenen spürt man die Enge. Der Antikriegsfilm „Der Tiger“ erzählt von einer Panzerbesatzung im Zweiten Weltkrieg. Fragt man Regisseur Dennis Gansel (51), wie es sich im Inneren eines Panzers anfühlt, dann beschreibt er es so: „Extrem beengt, wahnsinnig laut.“ Diese Atmosphäre ist ihm bei seinem Film wichtig.

Erstmals bringt der Streamingdienst Amazon eine deutsche Produktion ins Kino, bevor sie online zu sehen sein wird. Gansel („Napola - Elite für den Führer“, „Die Welle“) lässt die Geschichte 1943 an der Ostfront spielen.

Acht Monate nach der verheerenden Niederlage in Stalingrad befindet sich die Wehrmacht auf dem Rückzug. Die Panzerbesatzung fordert vom Leutnant (David Schütter), man müsse sich ebenfalls zurückziehen - doch der reagiert nicht. Er hält einen Zettel in den Händen, schaut auf ein Familienfoto. Die Brücke soll gesprengt werden. Es bleiben fünf Minuten.

Aufgeputscht mit „Panzerschokolade“

„Der Tiger“ spielt mit den Grenzen zum Surrealen und gerät zur Auseinandersetzung mit Ängsten und Schuldgefühlen. Gansel erzählt von den Gräueltaten eines Krieges, vom Umgang mit Befehlen und den zwischenmenschlichen Beziehungen, die zwischen den Soldaten in einer unmenschlichen Situation entstehen.

Wenn die Männer eine Sprengfalle entschärfen, sich mit Methamphetamin („Panzerschokolade“) aufputschen und der Roten Armee gegenüberstehen, dann haben manche Szenen etwas von der Faszination fürs Militärische. Doch spätestens ab der Hälfte wendet sich das.

„Only the dead have seen the end of war“ - nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen. Dieses Zitat des spanisch-amerikanischen Schriftstellers George Santayana (1863-1952) ist dem Film vorangestellt. Dass der Plot ausgerechnet am Dnepr spielt - einem Fluss, der auch durch die Ukraine fließt - gibt dem Film viel Aktualität.

Warum Gansel den Film gemacht hat

Für Gansel ist die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ein Lebensthema; die Frage, warum Menschen mitgemacht haben und die komplexe Antwort darauf. Seine Großeltern konfrontierte er als Kind mit ihrer eigenen Geschichte. Und der beste Freund seines Großvaters sei Kommandant eines Tiger-Panzers gewesen, erzählt Gansel, der in Hamburg lebt.

Als Kind habe er lustige Geschichten erzählt bekommen, wie in Nordafrika Spiegeleier auf dem Panzer gebraten worden seien. An einem Abend aber hätten sich die Männer zum Kegeln getroffen und betrunken. Dann seien andere Geschichten ans Licht gekommen. „Die waren sehr düster.“

Es sei nicht nur darum gegangen, was der Krieg mit ihnen gemacht habe, sondern auch, was sie selbst anderen Menschen angetan hätten. „Das hat mich völlig desillusioniert zurückgelassen“, sagt Gansel. Und es habe ihn bestärkt, dazu einen Film machen zu wollen.

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Mit „Der Tiger“ kommt nach dem Oscarerfolg von „Im Westen nichts Neues“ ein neuer Antikriegsfilm aus Deutschland ins Kino. Während Edward Bergers Literaturverfilmung gleich vier Oscars gewann - mehr als jeder andere deutsche Beitrag vorher -, verpasste „Der Tiger“ die Nominierung. Stattdessen geht „In die Sonne schauen“ für Deutschland ins Rennen.

„Der Tiger“ ist aber, ebenso wie „Im Westen nichts Neues“, eine Produktion eines Streaminganbieters. Amazon will den Film in ausgewählten deutschen Kinos zeigen, nicht in allen. Mit einem Kinostart bekommen Filme oft mehr Aufmerksamkeit und sichern sich die Chance, an Preisverleihungen teilzunehmen, bei denen ein Kinostart Voraussetzung ist.

Wie die Dreharbeiten abliefen

Gedreht wurde in Tschechien. Für die Dreharbeiten wurde unter anderem ein Modell nachgebaut, das auf eine bewegliche Apparatur gestellt wurde, wie Gansel erzählt. Da sei ein, zwei Schauspielern schlecht geworden. Pillen gegen Seekrankheit hätten dann geholfen.

„Der Tiger“ kommt weniger brachial daher als „Im Westen nichts Neues“, kann auch nicht auf eine so eindrucksvolle Filmmusik setzen, dafür gibt es eine Wendung, die im Gedächtnis bleibt. Die Botschaft ist erschreckend aktuell. Wenn sich ein sterbender Soldat in einer Szene an seinen schönsten Sommer erinnert und dann sagt „Danach war nur noch Krieg“, geht der Satz ins Mark.

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