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Energiepauschale: Darum schließt der Staat Menschen aus

Im September erwartet alle Beschäftigten eine Energiepauschale in Höhe von 300 Euro. Nicht alle bekommen die volle Summe - oder überhaupt etwas.

Die Energiepreispauschale kommt im September.

Die Energiepreispauschale kommt im September. Foto: dpa

Im September bekommen Millionen Beschäftigte eine staatliche Finanzspritze aufs Konto. Doch wie viel bleibt von den 300 Euro Energiepreispauschale wirklich übrig? Kann sie die Preissteigerungen auch nur ansatzweise ausgleichen? Und was ist mit den vielen Millionen Bundesbürgern, die keine Beschäftigung haben?

Gerne hätte man das Geld, so heißt es aus Koalitionskreisen, einfach an alle ausgezahlt. Doch dafür gibt es keinen simplen Weg, weil nicht alle Steuern zahlen oder anders vom Staat zu erreichen sind. So gab es einen Kompromiss: Beschäftigte bekommen das Geld mit der Gehaltsabrechnung vom Arbeitgeber. Offiziell heißt es nun, das Geld solle «diejenigen Bevölkerungsgruppen entlasten, denen typischerweise Fahrtkosten im Zusammenhang mit ihrer Einkünfteerzielung entstehen» - die also mit Auto oder Bahn zur Arbeit fahren und deshalb höhere Kosten haben.

Energiepreispauschale: Wie genau funktioniert das?

Auf die 300 Euro haben alle Anspruch, die in Deutschland leben und arbeiten oder Grenzpendler sind: Angestellte, Auszubildende, Beamte, Soldaten, Vorstände, Minijobber oder Aushilfskräfte. Auch Arbeitnehmer in Altersteilzeit bekommen Geld. Die Pauschale wird in der Regel mit dem September-Gehalt gezahlt. Bei Selbstständigen wird die Steuer-Vorauszahlung vom 10. September gesenkt. Wer Anfang des Jahres noch beschäftigt war, jetzt aber arbeitslos ist, bekommt das Geld ohne besonderen Antrag über die Steuererklärung.

Warum muss man darauf Steuern zahlen?

Die 300 Euro werden brutto ausgezahlt. Es werden Lohn- und Einkommensteuer abgezogen, aber keine Sozialversicherungsbeiträge. Damit will die Ampel eine soziale Staffelung erreichen: Menschen mit wenig Einkommen bekommen mehr Geld raus als Topverdiener.

Und wer kriegt am Ende wieviel?

193 Euro gibt es im Schnitt, sagt das Finanzministerium. Nur Arbeitnehmer, die mit ihrem zu versteuernden Einkommen unter dem Grundfreibetrag von rund 10.000 Euro bleiben, bekommen die vollen 300 Euro. Bei Spitzenverdienern dagegen bleiben nach Berechnung des Steuerzahlerbunds nur rund 180 Euro übrig - etwa Singles mit Steuerklasse 1 und 72.000 Euro Jahresgehalt. Wer wegen seines hohen Einkommens den Reichensteuersatz bezahlt, bekommt noch weniger raus.

Ein verheirateter Arbeitnehmer mit Kind, Steuerklasse 4 und Jahresgehalt von 45.000 Euro erhält 216,33 Euro Pauschale. Bei 15.000 Euro Jahresgehalt erhielte derselbe Arbeitnehmer 248,83 Euro. Ist er in Steuerklasse 3, bleibt er unter dem Grundfreibetrag und bekommt die vollen 300 Euro.

Wer geht leer aus?

Ohne steuerpflichtigen Einkünfte, kein Bonus. Das betrifft vor allem viele Rentnerinnen und Rentner, aber auch Studenten - wenn sie nicht mindestens einen Minijob haben. Aufpassen muss, wer sich pro forma zum Beispiel von den eigenen Kindern als Babysitter anstellen lässt. Voraussetzung für die Pauschale sei, dass so ein Dienstverhältnis «ernsthaft vereinbart und entsprechend der Vereinbarung tatsächlich durchgeführt wird», heißt es.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung fürchtet, dass die Pauschale überschuldeten Menschen bei einer Lohn- oder Kontopfändung direkt wieder weggenommen wird. Das Finanzministerium stellt klar: Die Pauschale sei von einer Lohnpfändung nicht betroffen, da es sich rechtlich nicht um einen Arbeitslohn handele. Zu Kontopfändungen gab es zunächst keine Angaben.

Besteht die Gefahr, dass manche doppelt kassieren?

Das könnte Leuten passieren, die angestellt sind und nebenbei freiberuflich arbeiten - behalten dürfen sie die doppelte Pauschale aber nicht. Das Finanzamt soll in solchen Fällen korrigierend eingreifen. Außerdem müssen Minijobber ihrem Arbeitgeber bestätigen, dass es sich um das erste Dienstverhältnis handelt.

Was kostet das ganze den Bund?

Die Pauschale selbst erzeugt nach offiziellen Angaben Kosten von 13,8 Milliarden Euro. Allerdings kassiert der Staat auch 3,4 Milliarden Euro dadurch, dass die Beschäftigten auf die Pauschale Lohn- und Einkommensteuer sowie in einigen Fällen Solidaritätszuschlag zahlen. Unterm Strich bleiben Kosten von 10,4 Milliarden Euro.

Reicht das Geld, um den Preisanstieg auszugleichen?

Nein, das ist inzwischen klar. Gas-, Strom- und Spritpreis sind in den vergangenen Monaten explodiert. Allein beim Strom zählte das Vergleichsportal Verivox für August, September und Oktober 123 Preissteigerungen von Grundversorgern, die für einen durchschnittlichen 3-Personen-Haushalt jährliche Mehrkosten von mehr als 300 Euro bedeuten. Beim Gas fallen die Erhöhungen noch saftiger aus, dazu kommt die staatliche Gasumlage.

Was gibt es denn sonst noch so?

Die Bundesregierung arbeitet an einem weiteren Entlastungspaket, von dem laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auch Rentnerinnen und Rentner profitieren sollen. In Regierungskreisen erwartet man aber, dass dieses Bündel nicht ganz so üppig ausfällt wie das letzte mit Einmalzahlungen, 9-Euro-Ticket und Steuersenkungen. Es ist wahrscheinlich, dass gezielt Bevölkerungsgruppen mit wenig Geld entlastet werden. Für das kommende Jahr plant Finanzminister Christian Lindner (FDP) dann eine Steuerreform, von der alle Steuerzahler profitieren sollen.

Ob das reicht?

Die Entscheidung fällt an anderer Stelle. Welche Maßnahmen zu welchem Zeitpunkt greifen werden, sagt die Bundesregierung an. Fakt ist, dass die bisherigen Entscheidungen nicht alles sein können. Die Diskussionen und Gespräche laufen aber schon. Man darf gespannt sein, ob es noch mehr Entlastung geben wird. (dpa/com)

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