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Wie salafistische Influencer auf TikTok rekrutieren

„Sheikh Ibrahim” inszeniert sich auf seinem Account als selbsternannter ultraorthodoxer Gelehrter. In TikTok-Videos beantwortet er Fragen zu Alltagsthemen wie „Darf man Geburtstag feiern?”. Die Antworten sind nicht verlockend, ziehen aber doch den ein oder anderen an.

Extremistische Salafisten suchen auf TikTok neue Islam-Anhänger unter den jungen Leuten.

Extremistische Salafisten suchen auf TikTok neue Islam-Anhänger unter den jungen Leuten. Foto: Screenshot von www.funk.net/channel/ykollektiv-1059

„Darf man Geburtstag feiern?” „Darf man einen Elternteil nicht mögen?“ Mit Antworten auf solche Fragen lockt Ibrahim el Azzazi junge Menschen auf TikTok zum Islam. Das verwundert, denn die Antworten sind nicht unbedingt immer verlockend. Fünf Monate recherchiert Y-Kollektiv-Reporterin Selma Badawi in dieser salafistischen Szene auf TikTok und fragt: Wie gefährlich ist dieses Phänomen für junge Menschen?

Ibrahim el Azzazi wird vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet und ist Teil der Deutschsprachigen Muslimischen Gemeinschaft in Braunschweig, die laut Verfassungsschutz Niedersachsen einen der zentralen Knotenpunkte der salafistischen Szene in Deutschland darstellt. Ibrahim sagt: „Verfassungsschutz nehme ich sowieso nicht für voll, also können die schreiben, was sie wollen.” Ist Ibrahim el Azzazi gefährlich? Y-Kollektiv-Reporterin Selma Badawi gelingt ein besonderer Einblick: Zwei Tage lang begleitet sie Ibrahim el Azzazi in seinem Alltag, konfrontiert ihn, möchte herausfinden, wie er tickt und wie andere seine Aussagen bewerten.

Zu Wort kommt auch einer von Ibrahims Followern: Hadi. Er ist siebzehn Jahre alt – für ihn ist die Meinung der Sheikhs zum Wegweiser geworden. Der Jugendliche betet täglich, versucht seinen Freundeskreis mit dem extrem orthodoxen Islam zu beeinflussen und macht seit kurzem Missionsarbeit auf der Straße.

TikTok reagiert und sperrt den Accout

Imam Ender Cetin, der in der Berliner Jugendstrafanstalt tätig ist, sieht das Phänomen sehr kritisch: „Letztlich ist ja das Problem, dass man in zwei, drei Sekunden versucht, alle Themen abzuhandeln, was nicht möglich ist.“ Er kritisiert auch das dualistische Weltbild – die Einteilung in „haram“, also schlecht, und „halal“, also gut. „Es geht im Islam nicht um Dogmen und um Rituale, die man blind durchführt, sondern es geht letztendlich um das Gefühl, um das Spirituelle. Und ich sollte niemals sagen: „Wir sind die Richtigen und das sind die Falschen.“”

Kurz vor Veröffentlichung der Reportage sperrt TikTok den Account von Ibrahim el Azzazi wegen „hateful behaviour” und mehrfachen Verstößen gegen die TikTok-Richtlinien. Doch es gibt bereits neue Accounts mit auffallend ähnlichen Namen. (pm/com)

Cordula Mahr
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