Dunkel kauert sie auf der weiß gefrosteten Parkbank. Die Gestalt sitzt, das Kinn tief auf der Brust, Gesicht kaum sichtbar. Zu Füßen des älteren Mannes ein voller Trolli und zwei Plastiktüten. Als ich zwei Stunden später wieder vorbeikomme, ist der Mann zur Seite gekippt, der Kopf hängt schief, als gehöre er nicht dazu. Keine Regung. Ich erschrecke - er wirkt leblos. Es wäre kein Wunder bei der Kälte... Leute gehen vorbei, gucken nicht hin. Ich spreche ihn an, Gottseidank, der Kopf ruckt höher. Ob er okay ist, frag‘ ich, ob er ein Zuhause hat? „Nnnee“, grummelt er, wirkt schwer alkoholisiert. Ich lauf‘ eben rüber zum Bäcker, hole Kaffee, er umgreift den Becher langsam. Ich sehe verkrampfte, lila Hände. Zwei Minuten später bin ich zu Hause und rufe 110 an. Bitte den freundlichen Polizisten um Hilfe, „wenn der Mann hier noch zwei Stunden in der Eiseskälte hockt, ist er tot.“ Der Streifenwagen ist fünf Minuten später da, das sehe ich noch. Als ich später an der Bank vorbeigehe, ist der Mann fort. Ich bin froh, jemand kümmert sich. Seither krieg‘ ihn nicht aus dem Kopf. Wo auf seinem Weg hat es ihn so aus der Bahn geschleudert? Er hat anders angefangen. Als Baby, im Arm seiner Mutter. Mit einem Leben vor sich, mit Chancen. Etwas lief furchtbar falsch. Jeder Tag ein Anfang? Nicht immer. Es gibt so viele, die nicht in ihre Spur zurückfinden. Hier. Überall. Und zu viele, die ihre eigene Spur ziehend blicklos vorbeigehen. Ein Gedicht von Günter Kunert fällt mir ein: „Nimm einen Anlauf für das Unmögliche. Denn Tag wird. Ein Horizont zeigt sich immer. Nimm einen Anlauf.“