Bremerhaven

Droht in Bremerhaven ein folgenschweres Tiersterben durch Vogelgrippe?

Das vergangene Jahr war für Wilhelmshavener Vogelforscher der Horror. Ein Vogelgrippevirus raffte viele Flußseeschwalben in ihrer Brutkolonie dahin. Was droht der Vogelart in diesem Jahr in Bremerhaven?

Brutfloß in der Alten Weser für Lachmöwen und Seeschwalben

Lachmöwen und Seeschwalben tummeln sich auf den Brutflößen im Naturschutzgebiet der Luneplate. Foto: Hartmann

Die Hafengesellschaft Bremenports hat vor Jahren Brutflöße in die Alte Weser am Rande der Luneplate platziert. Sie sind mit Kies gefüllt: ein guter und sicherer Brutplatz für Fluss-Seeschwalben.

Es ist die häufigste Seeschwalben-Art an der Nordseeküste, die Tiere gelten aber als gefährdet.

Fluss-Seeschwalben

Fluss-Seeschwalben (Sterna hirundo) brüten auch in Bremerhaven. Sie haben schon mal die Kaiserschleuse lahmgelegt. Foto: dpa

Eine große Brutkolonie befindet sich in Wilhelmshaven auf alten Betonmauerresten, die in den Banter See ragen. Mitarbeiter vom Institut für Vogelforschung beobachten die Tiere dort seit mehr als 30 Jahren. Doch das vergangene Jahr war der Horror.

Viele Todesfälle in der Brutkolonie

510 tote Vögel haben die Ornithologen eingesammelt, 26 Prozent der Brutkolonie. „Das war Wahnsinn“, sagt Dr. Sandra Bouwhuis, wissenschaftliche Leiterin des Instituts. Aber ja, sagt sie, die Vögel säßen Schnabel an Schwanz auf ihren Nestern. Dadurch können sie sich schnell anstecken mit dem Vogelgrippevirus, Subtyp H5N1.

Ein Virus unterwegs

Karte: Mapcreator.io | OSM.org

Jetzt, im Jahr danach, sind erst 47 Prozent der Brutkolonie - Stand 22. Kalenderwoche - aus ihren Überwinterungsgebieten zurückgekehrt. Die Fluss-Seeschwalben überwintern vor allem in westafrikanischen Ländern. Möglich, dass sie sich dort infizieren und tot ins Meer fallen. Doch die Brutsaison habe erst angefangen. „Es können noch Fluss-Seeschwalben eintreffen und brüten“, sagt Bouwhuis.

Ornithologen nehmen Blutproben

Das Team nimmt Blutproben. „Wie untersuchen, ob die Tiere, die jetzt brüten, bereits Antikörper entwickelt haben“, erklärt die Institutsleiterin. Sie müssen strenge Hygienevorschriften beachten, wenn sie die Parzellen betreten. Sicher ist sicher.

Infektionsmediziner sprechen bei der Vogelgrippe von einer „aviären Influenza“. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden seit 2003 weltweit über 2.600 humane Erkrankungen und 1.100 Todesfälle mit aviärer Influenza nachgewiesen. Die mit Abstand meisten Fälle werden im asiatisch-pazifischen Raum registriert. Ein besonders enger Kontakt mit dem erkrankten oder verendeten Tier scheint eine Rolle zu spielen. In Deutschland sind bislang keine Erkrankungen beim Menschen bekannt geworden, schreibt das Robert-Koch-Institut auf seiner Internetseite. Allerdings wurden immer wieder solche Krankheitserreger in Wildvögeln festgestellt und bisher sporadisch bei fleischfressenden Wildtieren wie Füchsen, die vermutlich einen infizierten Vogelkadaver gefressen haben.

Keine Untersuchungen auf der Luneplate

Der Biologe Lutz Achilles

Lutz Achilles an der Alten Weser

Der Ornitologe Lutz Achilles erfasst den Vogelbestand auf der Luneplate. Foto: Hartmann

beobachtet für Bremenports das Geschehen auf den Brutflößen und auf der Luneplate. Er könne keine seriöse Aussage über das Vorkommen von H5N1 und die Folgen für „seine“ Fluss-Seeschwalben treffen, sagt er. Es gebe keine Untersuchungen dazu. Achilles hat eher den Eindruck, dass das Vordringen der Lachmöwen auf den Brutflößen einiges auf den Kopf gestellt habe.

Neue Nachbarn für die Fluss-Seeschwalben

Die Lachmöwen haben inzwischen ein Brutfloß „gekapert“. 2021 zählte er sogar 61 Brutpaare Lachmöwen und nur 11 Brutpaare Fluss-Seeschwalbe. Im vergangenen Jahr belief sich das Verhältnis auf 42 zu 16. In dieser Brutsaison zählt er bisher 8 Brutpaare Fluss-Seeschwalben, Stand 22. Kalenderwoche. Doch die beiden Vogelarten arrangieren sich. Allerdings sollen in diesem Jahr Lachmöwen stärker betroffen sein vom Vogelgrippe-Virus. Achilles: „Die Fluss-Seeschwalben haben außerdem gute andere Brutmöglichkeiten, vor allem in der östlichen Erweiterungsfläche.“

https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Gefluegelpest/Gefluegelpest.html

Ursel Kikker

Reporterin

Ursel Kikker kommt aus der Wesermarsch, liebt das Meer und berichtet gerne darüber, wenn die Wissenschaft für frischen Wind an der Küste sorgt. Sie hat bei der NORDSEE-ZEITUNG volontiert und ist nach dem Studium dorthin zurückgekehrt.

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