Seit 2017 ist Ben A. (Name geändert) schon bei der Feuerwehr im Lösch- und Rettungsdienst tätig. Wie oft er bei Einsätzen beleidigt, mit Gewalt bedroht oder tatsächlich angegangen wurde, hat der 29-Jährige nicht gezählt. „Aber es begleitet mich von Anfang an - dabei wollen wir doch nur unseren Job machen“, sagt er. Diese Erfahrungen macht auch ein Bremerhavener Polizist. Der 25-Jährige ist annähernd täglich mit übelsten verbalen Entgleisungen, teilweise rassistisch, konfrontiert. Seine Kollegin wird auch regelmäßig im Dienst beschimpft - oft mit Schimpfwörtern unterhalb der Gürtellinie. „Auch der Tod wurde mir schon gewünscht“, sagt sie.
Einsatzkräfte erleben immer wieder Beleidigungen und Gewalt
Mit diesem Thema sind die Einsatzkräfte nicht allein konfrontiert: auch Busfahrer und Mitarbeiter des Klinikums Reinkenheide erleben immer wieder Beschimpfungen, Gewalt und Respektlosigkeit - vom Anspucken bis zu tätlichen Übergriffen.
Sie alle versuchen, das Erlebte nicht zu dicht an sich herankommen zu lassen, Gespräche unter Kollegen nach Dienstschluss helfen ebenfalls bei der Verarbeitung. „Es ist teilweise eine Grenze erreicht, an der man abstumpft“, sagt der junge Polizist.
Um genau dieses Abstumpfen bei den Opfern zu verhindern, sie nicht alleine zu lassen und auch die Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam zu machen, startet jetzt in Bremerhaven eine Kampagne unter dem Titel „Keine Gewalt gegen uns“. „Wir wollen als Vertreter der Stadtgesellschaft ein Zeichen gegen diese Gewalt setzen und uns solidarisch mit den Beschäftigten zeigen“, erklärte Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD) am Montag bei der Vorstellung der Kampagne im Historischen Museum.
Kampagne wird in der Stadt deutlich sichtbar sein
Auf zahlreichen Großplakaten, an Haltestellen, digitalen Werbetafeln in der Innenstadt und auf fünf Bussen wird die Kampagne in den nächsten sechs Monaten in der Stadt deutlich sichtbar sein. Auch auf Social Media wird die Botschaft ausgespielt. Auf der Internetseite www.kggu.de läuft die Kampagne digital, es gibt Beispiele von Betroffenen und auch ein Portal für eigene Erfahrungen mit Gewalt und Aggression. Bei den dargestellten Mitarbeitern handelt es sich nicht um Models, sondern um Mitarbeiter der jeweiligen Institution.
Erarbeitet wurde die Kampagne, die von einem entsprechenden Beschluss der Stadtverordnetenversammlung im Jahr 2020 angeregt wurde, von einer Projektgruppe unter Leitung der Ortspolizeibehörde Bremerhaven gemeinsam mit Feuerwehr, Bremerhaven Bus, Klinikum Reinkenheide und Magistrat. 60.000 Euro lässt sich die Stadt die Kampagne kosten. Melf Grantz lässt keinen Zweifel daran, wie sehr ihm das Thema am Herzen liegt. „Diese Form der Verrohung können wir nicht hinnehmen und müssen uns alle deutlichst dagegen positionieren“, betont der OB. Denn eines sei klar: „Je rauer der Ton, desto schneller sinke die Hemmschwelle für physische Gewalt“, sagt Grantz.
Thema im Arbeitsalltag der betreffenden Berufsgruppen präsent
Ein nächtlicher Sicherheitsdienst im Krankenhaus, Schutzvorrichtungen und Alarmknöpfe in Bussen und andere Vorsichtsmaßnahmen zeigen, wie sehr das Thema im Arbeitsalltag der betreffenden Berufsgruppen präsent ist. Bei der Feuerwehr werde gerade ein neues Team Prävention und Einsatznachsorge eingerichtet, um die Beschäftigten gut aufzufangen. Eines betont der Oberbürgermeister: Respektlosigkeiten und Beschimpfungen gegenüber Einsatzkräften seien nicht altersgebunden. „Es zieht sich durch alle Altersgruppen“, so Grantz. Die Dunkelziffer sei hoch, da nicht jeder Fall zur Anzeige gebracht werde.
Um so wichtiger sei das Signal, das von der Kampagne ausgehen soll: „Wir stehen hinter euch“, so Grantz. Zugleich soll es auch ein Weckruf an alle Bürger sein. „Zeigen Sie Zivilcourage. Schauen Sie nicht weg, wenn Einsatzkräfte angegangen werden, holen Sie Hilfe, verurteilen Sie Pöbeleien und Beleidigungen. Und: Seien Sie selbst wertschätzend und respektvoll.“

Plakat zur Kampagne Keine Gewalt gegen uns Foto: Protagonists

Plakat zur Kampagne Keine Gewalt gegen uns Foto: Protagonists

Plakat zur Kampagne Keine Gewalt gegen uns Foto: Protagonists

Plakat zur Kampagne Keine Gewalt gegen uns Foto: Protagonists

Plakat zur Kampagne Keine Gewalt gegen uns Foto: Protagonists