Nordenham

Klare Worte im Bus: „Alter Mann sitzen!“

Wie ein Busfahrer mein Selbstverständnis erschüttert hat

Schon klar, wenn man auf dem Wochenmarkt mit „Was darf‘s sein, junger Mann?“ angesprochen wird, dann ist das ein Standardspruch, der Versuch, dem Kunden zu schmeicheln, versteckte Ironie oder was weiß ich was. Bei genauerer Betrachtung ernst gemeint kann es nicht sein. Schließlich bin ich Mitte 60. Ich höre diese Anrede trotzdem nicht ungern, ehrlich gesagt. Zumindest viel lieber als alter Mann.

Ich fühle mich nicht als alter Mann und versuche, so zu leben, dass das noch lange so bleibt. Und doch hat mich diese Anrede jüngst ins Mark getroffen. Ich stieg in einem anderen Teil Deutschlands in Wanderermontur, mit Wanderstöcken und Rucksack in einen Bus ein. Ich zeige mein 49-Euro-Ticket vor und stelle mich hin. Der Bus ist recht voll, und ich will mich mit meinem Gepäck nicht irgendwo dazwischen quetschen. Für mich ist das völlig in Ordnung. Aber offensichtlich nicht für den Busfahrer.

Der Mann hat Deutsch nicht als Muttersprache gehabt. Das nur zur Erklärung seiner nun folgenden Worte: „Alter Mann sitzen, junger Mann stehen.“ Ich habe mich nicht angesprochen gefühlt, denn ich stand gut. Aber offensichtlich war ich gemeint. Ich sollte sitzen. Ein junger Mann sollte aufstehen. Eine Frau nahm ihre Tasche auf den Schoß, und ein Sitzplatz wurde frei. Für mich.

Das war nett gemeint. Gefreut habe ich mich trotzdem nicht. Und selbstverständlich werde ich bei Gelegenheit wieder aufstehen, wenn ein älterer Mensch einen Sitzplatz benötigt. Von wegen alter Mann!

Christoph Heilscher
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