Niedersachsen
Frau gesteht Totschlag: „Ich habe einfach zugestochen“
Ein Geständnis unter Tränen: Eine Frau schildert am Landgericht Oldenburg, wie Panik und Angst sie zum Äußersten trieben.
Die Anklagte hat vor Gericht eingeräumt, ihren Mann erstochen zu haben.
Foto: Sina Schuldt
Jahrelang habe sie Gewalt erlebt, dann stach sie selbst zu: Eine Frau hat gestanden, in Panik ihren Ehemann in Friesoythe (Landkreis Cloppenburg) getötet zu haben. „Ich habe einfach zugestochen“, sagte die 33-Jährige mit Hilfe einer Dolmetscherin zu Prozessbeginn am Landgericht Oldenburg. „Ich war so geschockt.“ Die Staatsanwaltschaft wirft ihr Totschlag vor.
Beziehung geprägt von Alkohol, Drogen und Gewalt
Die Angeklagte schilderte unter Tränen, dass ihr Ehemann sie jahrelang missbraucht und bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen habe. „Meine Mandantin erlebte die Hölle“, sagte ihre Anwältin. „Er sperrte sie ins Haus ein, drohte sie umzubringen.“
Der 41-Jährige sei Alkoholiker gewesen und habe Amphetamine genommen, sagte die Angeklagte. Irgendwann habe sie auch angefangen zu trinken. Sie habe mehrfach die Polizei gerufen und ihn zweimal angezeigt, er sei aber nie von einem Gericht verurteilt worden.
Hochzeit zwei Wochen vor der Tat
Das Paar lebte in Polen, hat eine achtjährige Tochter und heiratete zwei Wochen vor der Tat. Ihr Mann habe sie zur Hochzeit gedrängt, sagte die Angeklagte. „Ich habe ein großes Herz und ich habe ihm immer wieder verziehen.“
Anfang Mai habe sie ihren Mann dann zu seiner Arbeit nach Deutschland begleitet, berichtete die Polin vor Gericht. Erneut seien sie aneinander geraten, und ihr Mann habe sie vor die Tür gesetzt. Die 33-Jährige fand Unterschlupf bei einem Bekannten.
Frau sticht zu - war es Notwehr?
Der Konflikt eskalierte am 9. Mai, einem Freitagabend: Die Angeklagte hatte nach eigenen Angaben zwei Flaschen Wodka getrunken, als ihr Mann gewaltsam in die Wohnung des Bekannten eingedrungen sei. Er habe sie bespuckt und zweimal mit der Faust auf ihren Kopf geschlagen, sagte die Polin unter Tränen.
Die Anwältin forderte das Gericht auf, Notwehr zu prüfen. „Sie hatte keine Chance, er war absolut aufbrausend und stark“, argumentierte die Verteidigerin. Im Affekt und aus Panik habe ihre Mandantin nach dem Küchenmesser gegriffen und zugestochen. „Sie wollte nur, dass der Angriff endet.“ Sie habe auch noch versucht, seine Blutung zu stoppen.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft erlitt der Mann zwei Stiche in den Oberkörper und in den Rücken, außerdem ein Schlag mit einem Fleischklopfer auf den Kopf. Er habe sich noch nach draußen auf die Terrasse geschleppt, sei zusammengesackt und gestorben.
Urteil soll Ende November fallen
„Meine Mandantin ist verzweifelt und geschockt“, sagte die Anwältin. „Trotz der jahrelangen Gewalt wollte sie nicht, dass ihr Mann stirbt.“ Sie könne nicht mehr schlafen, sei emotional belastet und leide unter Trennung von ihrer Tochter. Die Achtjährige wächst bei ihrer Oma in Polen auf.
Für die polnischen Behörden ist die Angeklagte keine Unbekannte. Sie ermittelten gegen die 33-Jährige unter anderem wegen Raubes, Misshandlung eines Hundes, Bedrohung und Sachbeschädigung. Sie räumte vor Gericht ein, in Polen auch schon elf Monate in Haft gesessen zu haben.

Der Vorsitzende Richter hat keine Zweifel, dass die Frau jahrelang Opfer von Gewalt war.
Foto: Sina Schuldt
Der Vorsitzende Richter im Oldenburger Prozess betonte, er habe keine Zweifel, dass die Angeklagte jahrelang unter ihrem Mann und seinen Gewaltausbrüchen gelitten habe. Das Urteil wird Ende November erwartet.