Bremerhaven

Trotz Personalnot: Bremerhaven schickt arbeitswillige Polizisten in Ruhestand

Die Polizei arbeitet am Limit. Die Kriminellen machen keine Pause, neue Aufgaben kommen hinzu. Und es ist schwer, Nachwuchs zu finden. Da müsste ein Polizist, der freiwillig über die Altersgrenze hinaus weiterarbeiten will, willkommen sein. Denkste.

Polizisten vor Einsatzfahrzeugen

Erfahrene Polizisten würden gern in Bremerhaven weiterarbeiten, obwohl sie in den Ruhestand gehen können. Das wäre ein Mittel gegen die Personalnot. Und was macht der Magistrat? Foto: Hendrik Schmidt/dpa/Symbolbild

Es gibt sie wirklich, die Polizisten, die nach etlichen Dienstjahren immer noch Freude an ihrer Arbeit haben, obwohl Gewalt und Beleidigungen gegenüber den Einsatzkräften von Jahr zu Jahr zunehmen und auch die Aufgaben immer umfangreicher werden. Jedenfalls bieten diese Polizisten an, über die Altersgrenze hinaus weiterzuarbeiten. Eine Verlängerung um bis zu drei Jahren ist möglich, wenn der Dienstherr zustimmt. In Bremerhaven ist das Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD), und der sagt „Nein“ und schickt die Polizisten in den Ruhestand.

Dass der Bedarf an Polizisten groß ist, zeigt die Verzweiflungstat der Koalition Ende vergangenen Jahres. Obwohl das Land für die Bezahlung der Beamten zuständig ist, stellte die Stadt selbst fünf Polizisten ein und übernahm auch die Bezahlung in Höhe von jährlich 300.000 Euro. Das gab es noch nie.

Mehr Polizisten als Wahlkampfversprechen

Die Landesregierung hatte sich nach den Wahlkampfversprechungen 2019 verpflichtet, die Zahl der Polizisten in Bremerhaven auf 520 anzuheben. Das nennt sich „Zielzahl“. Erreicht hat sie diese allerdings nie. Bislang hieß es immer, dass der Nachwuchs fehle, um die Lücken zu füllen, die durch die ausscheidenden Beamten entstehen. Die Ausbildungskapazitäten seien bis zum Anschlag ausgereizt, und auswärtige Bewerber gebe es nicht.

Das Thema Geld sollte bis dahin angeblich keine Rolle spielen. Das änderte sich vor gut zwei Jahren. Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) musste zugeben, dass die Koalition ihm nicht mehr das Geld gebe, was er zum Erreichen der Zielzahlen benötige. Grund seien die Steuerausfälle und gestiegenen Ausgaben als Folge der Pandemie.

Mäurers knappe Kasse verhindert nicht nur den Aufbau der notwendigen Sollstärken. Sie ist auch dafür verantwortlich, dass die Kollegen, die jetzt über die Altersgrenze hinaus bei der Polizei weiterarbeiten wollen, trotzdem vom OB in den Ruhestand geschickt werden. So steht es jedenfalls in einem Schreiben von Grantz an den Stadtverordneten der „Bürger in Wut“ (BIW), Jan Timke.

Vollbremsung bei Verlängerungsanträgen

Einer der Polizisten hatte sich an ihn gewandt. Deshalb hatte Timke beim OB um Erklärungen gebeten. Der erläuterte, dass im vergangenen Jahr das Land nur 480 Polizeistellen finanziert habe, in diesem Jahr seien immerhin schon 488 Stellen. Weil im vergangenen Jahr bereits eine Überschreitung dieser Zahlen drohte, trat der OB bei den Anträgen auf Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf die Bremse. Wenn mit diesen zusätzlichen Polizisten das Personallimit überschritten worden wäre, hätte die Stadt selbst die Kosten übernehmen müssen. Auch in diesem Jahr werde man so fortfahren. Alle Beamten der Ortspolizeibehörde, die 2023 in den Ruhestand treten, werden keine Verlängerung bekommen, schreibt Grantz.

„Und das, obwohl sie gebraucht werden und mit ihren Erfahrungen der Polizei weiterhelfen könnten“, schüttelt Timke den Kopf. Wie man diese Beamten ziehen lassen kann, obwohl schon jetzt klar ist, dass Rot-Grün-Rot die Zielzahlen in dieser Regierungsperiode nicht mehr erreichen werden, ist ihm schleierhaft. Ihm reiche es nicht, wenn Grantz nur auf Bremen zeige: „Ich erwarte, dass er dort deutlich macht, dass die Kollegen dringend in Bremerhaven gebraucht werden.“

Das Innenressort selbst äußert sich zurückhaltend. Man verweist auf Nachfrage auf die Verantwortung der Bürgerschaft als Haushaltsgesetzgeber. Und der Haushalt bestimme die angestrebten Zielzahlen nur „perspektivisch“.

Klaus Mündelein

Reporter

Klaus Mündelein kümmert sich im Bremer Büro um die Landespolitik. Er hat in Münster studiert und volontiert und kam vor fast 30 Jahren zur Nordsee-Zeitung.

0 Kommentare
Newsletter Der ZZ-Newsletter
Alle wichtigen Nachrichten und die interessantesten Ereignisse aus der Region täglich direkt in Ihr E-Mail-Postfach. Mit Empfehlung aus der Redaktion.
PASSEND ZUM ARTIKEL
nach Oben