Tarmstedt

Diese Tarmstedterin rettet frei lebende Katzen - und erntet trotzdem Kritik

Nina Blome schaut nicht weg. Sie sieht, wenn Katzen Hilfe brauchen. Und: Sie tut etwas. Nicht selten wird sie für ihren Einsatz beschimpft, sogar vom Hof gejagt. Doch sie bleibt dran. So lange, bis auch ihre Kritiker sagen: „Gut, dass Sie helfen.“

Nina Blome mit Kater Gerri. Die Tarmstedterin kümmert sich um Streuner und fordert eine Kastrationspflicht für Katzen, um das Elend der Vierbeiner zu beenden.

Nina Blome mit Kater Gerri. Die Tarmstedterin kümmert sich um Streuner und fordert eine Kastrationspflicht für Katzen, um das Elend der Vierbeiner zu beenden. Foto: Saskia Harscher

Wer sie nicht sehen will, dem bleiben sie verborgen. Katzen, die auf sich allein gestellt leben. Streuner, ohne festes Zuhause und ohne direkten menschlichen Bezug und Fürsorge. Viele von ihnen sind mangelernährt, sie sind verletzt und krank. Die weiblichen Tiere sind zudem fast pausenlos trächtig.

Frei lebende Katzen werden kastriert und können sich nach OP erholen

Nina Blome kümmert sich um diese Tiere. Sie fängt diese Katzen ein, um sie dann zum Tierarzt zu bringen, wo sie kastriert werden.

Anschließend können sich die Tiere bei ihr zu Hause von der Operation erholen. Auch Verletzungen oder Krankheiten können die Vierbeiner in Katzenhäusern auf ihrem weitläufigen Grundstück auskurieren.

Verwilderte Hauskatzen brauchen menschliche Hilfe

Die Katzen sind auf menschliche Hilfe angewiesen, betont Nina Blome. „Es sind verwilderte Haustiere. Das Problem ist menschengemacht.“

Nach ihrer Kastration sollen die Tiere möglichst wieder an dem Ort freigelassen werden, an dem sie eingefangen wurden.

Diese frei lebenden Katzen in ein Tierheim zu bringen, wäre für sie eine kaum zu ertragende Tortur, sagt Nina Blome. „Die haben wahnsinnige Angst vor Menschen.“

Tierheime sind voll mit Katzen

Zudem sei die Wahrscheinlichkeit, dass diese Tiere von dort vermittelt werden, beinahe aussichtslos. „Die Tierheime sind voll mit zahmen Katzen, da will eine wilde schon gar niemand haben.“

Einige Katzen, die sie bei sich aufpäppelt, sollen aber auch vermittelt werden. So wie jenes Tier, das mitten im Winter ausgesetzt wurde. Stark abgemagert und krank hat die Tarmstedterin den Siam-Mix neben einem Betrieb für Abfallwirtschaft aufgegabelt. Die Katze ist menschenbezogen und zutraulich. Ziemlich sicher hat sie bis vor kurzem noch bei irgendwem gelebt, bevor sie quasi entsorgt wurde.

Oft melden sich auch Menschen bei ihr, die ihre Katze loswerden wollen. „Wir sind nicht für zahme Katzen zuständig“, sagt Nina Blome und bedauert, dass es in der Samtgemeinde Tarmstedt keinen aktiven Tierschutzverein gibt. Wenn die 42-Jährige von wir spricht, dann meint sie damit den Verein Katzenhilfe Bremen, dessen Vorsitzende sie ist.

Kastration kann Katzenelend verringern

Das Katzenelend ist ein Stadt- und Landproblem. Auch in der Samtgemeinde Tarmstedt ist jedes Dorf betroffen, sagt die Tarmstedterin und schiebt nach: „Die Kastration der Katzen ist das A und O.“ Bis heute haben die hiesigen politischen Entscheider sich jedoch nicht zur Einführung einer Kastrationspflicht durchringen können.

Doch nur so könne das unkontrollierte Wachsen der Katzenpopulation eingedämmt und das Leiden der Streuner beendet werden. Nina Blome kann verstehen, wenn sie etwa von Landwirten hört: Wir brauchen und wollen die Katzen, damit sie Ratten und Mäuse fangen. Das ist okay, unterstreicht sie. Dennoch stehe das nicht im Widerspruch zur Kastration. Wenn es auf den Höfen weniger Katzen gibt, dann steigt der Stellenwert des einzelnen Tieres. Die Versorgung und der Gesundheitszustand der Hofkatzen würden sich dadurch verbessern, ist sie überzeugt.

Schon als Kind einen besonderen Blick für Tiere

Dass sie diesen besonderen Blick hat für Tiere, das hat sie bereits früh gemerkt. Schon als Achtjährige hat sie sich um hungernde Katzen gekümmert, hat ihr Taschengeld genommen und dafür keine Lollis für sich, sondern Dosenfutter für die Katzen gekauft.

„Wieso findest du diese Tiere nur immer?“, hörte sie von ihren Eltern, wenn sie wieder einmal mit einem verletzten Tier im Arm vor der Tür stand.

„Warum sehen die anderen das denn nicht?“, hat sie sich schon als Kind gefragt und tut es im Grunde bis heute. „Das ist ein unheimliches Elend“, sagt Nina Blome. Dazu eines, dass für die betroffenen Tiere oft jahrelanges Leid bedeutet. Viele Leute melden sich zu spät. Dann heißt es: „Wir haben hier 20 Katzen, aber die gehören uns gar nicht.“

Tierschützerin leistet Überzeugungsarbeit

Doch sie lässt sich nicht entmutigen. Auch nicht, wenn sie beschimpft, manchmal sogar vom Grundstück gejagt wird. „Ich bleibe dann immer freundlich und argumentiere ruhig und sachlich“, sagt sie. Immer häufiger mit Erfolg. „Hätte ich das bloß schon viel früher gemacht“, sagte etwa ein älterer Mann zu ihr, nachdem sie ihm geholfen hat, seine Katzen einzufangen und beim Tierarzt kastrieren zu lassen.

Zweimal, häufig sogar öfter im Jahr, können Katzen Junge bekommen.

Die Kätzinnen bringen dabei im Durchschnitt vier bis sechs Katzenwelpen, sogenannte Kitten, zur Welt.

Längst nicht alle Jungtiere überleben, viele sind todkrank und vegetieren lange Zeit vor sich hin. Auch für die Muttertiere sind die ständigen Schwangerschaften und Geburten eine körperliche Tortur, sagt Nina Blome.

Mangelversorgung schützt nicht vor Trächtigkeit

Wer dabei denke, die Natur richte es so ein, dass geschwächte Katzen nicht trächtig werden, der irrt, sagt die Tarmstedterin nach. Mangelversorgung und Krankheit verhinderten weder, dass die weiblichen Tiere rollig werden noch halte es die unkastrierten Kater davon ab, diese Katzen zu decken.

Die geforderte Kastrationspflicht beschränke sich dabei nicht nur auf die weiblichen Tiere. Auch bei Katern sei sie unerlässlich. Und auch bei sogenannten Freigängern, also Katzen, die zwar ein festes Zuhause haben, aber auch nach draußen können. Dabei, betont Nina Blome, schütze eine Kastration wegen des ausbleibenden Paarungsaktes auch vor Krankheiten wie etwa Katzen-Aids.

Tierschützer fordern Kastrationspflicht

Tierschützer wie Nina Blome und auch Tierärzte fordern seit langem eine allgemeine Kastrationspflicht. Doch eine konsequente Gesetzgebung fehlt bislang. Es bleibt den Kommunen überlassen, ob sie eine Pflicht zur Kastration von Katzen einführen. Vor vier Jahren haben Tierschützerinnen einen Antrag auf Einführung einer Kastrationspflicht an den Tarmstedter Samtgemeinderat gestellt. Doch sie konnten mit ihrer Forderung nicht durchdringen. Man setze auf Freiwilligkeit und finanzielle Unterstützung, hieß es damals. Auf Antrag und nach Vorlage einer Tierarztrechnung im Rathaus können Katzenbesitzer seither einen Zuschuss bekommen. Für die Kastration einer Katze 40 Euro und 25 Euro für einen Kater.

Bei vielen Katzenbesitzern ist das Geld aktuell knapp

Das Problem der fehlenden Bereitschaft vieler Katzenbesitzer, ihre Tiere kastrieren zu lassen, verschärft sich aktuell noch durch die Preissteigerungen in fast allen Bereichen. „Die Leute sind noch weniger bereit, für eine Kastration oder eine Tierarztbehandlung Geld auszugeben“, sagt die Tarmstedterin.

Die Kosten für eine Kastration liegen zwischen 150 und 200 Euro für eine Katze und bei etwa 120 Euro für einen Kater. Die Kosten für die Kastration von Streunern trägt die Katzenhilfe Bremen über Spenden.

Tarmstedterin spendet viel Zeit

Wenn Nina Blome Streuner einfangen will, um sie beim Tierarzt kastrieren zu lassen, muss sie Zeit mitbringen. Etliche Stunden, nicht selten halbe Nächte verbringt sie damit, die Tiere in eine Lebendfalle zu locken. Etwa 20 Stunden pro Woche ist sie für die Tiere ehrenamtlich im Einsatz, neben ihrem eigentlichen Beruf als Sozialpädagogin. Und dann ist da auch noch die Familie. „Mein Mann unterstützt mich ganz toll“, sagt die 42-Jährige. Rückhalt, ohne den dieses Engagement nicht zu schaffen wäre. Warum sie diese Arbeit macht? „Ich mache das, weil es sonst niemand tut“, sagt sie. „Streuner haben einfach keine Lobby.“

Ein entzündetes Auge, schlechte Zähne und klapperdürr: Mitten im Winter wurde diese Katze neben einem Abfallbetrieb ausgesetzt. Nina Blome päppelt das kranke Tier auf und hofft, neue Besitzer für den Siam-Mix zu finden.

Ein entzündetes Auge, schlechte Zähne und klapperdürr: Mitten im Winter wurde diese Katze neben einem Abfallbetrieb ausgesetzt. Nina Blome päppelt das kranke Tier auf und hofft, neue Besitzer für den Siam-Mix zu finden. Foto: Saskia Harscher

Saskia Harscher

Reporterin

Saskia Harscher ist im Landkreis Rotenburg aufgewachsen. In Bremen hat sie Politikwissenschaften studiert. Sie arbeitet seit 2019 in der Redaktion der ZEVENER ZEITUNG. Dort ist sie stellvertretende Leiterin und zuständig für die Berichterstattung aus der Samtgemeinde Tarmstedt.

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