Meinung & Analyse Gegenwind

Bodycount und Doppelmoral: Warum Frauen für ihre Sexualität verurteilt werden

„Schlampe“ fürs Bett, Jungfrau zum Heiraten? Der Bodycount einer Frau dient als Instrument der Unterdrückung. Er entscheidet über ihren Wert. Während Männer für dasselbe Verhalten gefeiert werden. Zeit, das zu ändern.

In der Kolumne „Gegenwind“ gehen die Volontäre von Nordsee-Zeitung, Kreiszeitung Wesermarsch und Zevener Zeitung auf gesellschaftliche Debatten ein.

In der Kolumne „Gegenwind“ gehen die Volontäre von Nordsee-Zeitung, Kreiszeitung Wesermarsch und Zevener Zeitung auf gesellschaftliche Debatten ein. Foto: NZ-Grafik

Der Begriff „Bodycount“ kommt ursprünglich aus der Militärsprache und bezeichnet die Anzahl der getöteten Feinde. Heute wird er verwendet, um die sexuelle Vergangenheit einer Person zu bewerten – sprich die Anzahl der Menschen, mit dem die Person geschlafen hat.

Kürzlich stieß ich auf Instagram auf zwei „Experten“, die sich eifrig darüber ausließen, warum der Bodycount einer Frau sie zur „Schlampe“ macht.

„Stell dir vor, eine Frau hat mit mehr als sechs Typen geschlafen“, sagt der eine und fügt hinzu: „Das ist doch widerlich“. „Total“, pflichtet der andere ihm bei, „also, wenn ich mit ihr eine Beziehung eingehe, dann geht das gar nicht. Wenn es aber nur um Sex geht, kann ich darüber hinwegsehen.“

Die Heuchelei des Bodycounts: Warum Frauen in Schubladen gesteckt werden

Sprich: Eine „Schlampe“ geht klar. Warum? Weil man mit einer erfahrenen Frau oft mehr Spaß hat als mit einer, die ihre eigene Sexualität noch erforscht. Aber eine „Schlampe“ heiraten? Das geht nicht, da hätte man doch lieber eine Jungfrau.

Der Bodycount wird zum sozialen Stigma, der Menschen in Kategorien einteilt: Die eine hat „zu viele“ Partner gehabt und gilt als „leicht zu haben“, die andere hat „zu wenig“ und wird als „prüde“ abgestempelt. Diese Kategorisierung ist nicht nur respektlos, sondern auch entmenschlichend.

Männer werden gefeiert und Frauen verurteilt

Doch woher kommt diese Fixierung auf den Bodycount? Es ist das altbekannte Doppelmoralspiel: Männer sollen Erfahrungen sammeln, sich ausleben und mit ihren „hohen Bodycount“ prahlen, während Frauen für genau dasselbe Verhalten verurteilt werden.

Der Bodycount eines Mannes ist nicht schlimm, sondern wird bei den Kumpels gefeiert. Der Bodycount einer Frau ist dagegen peinlich und abstoßend. Es ist das kranke Erbe einer patriarchalen Gesellschaft, in der männliche Sexualität als Eroberung und weibliche als Schwäche angesehen wird.

Der Bodycount ist die Waffe des Patriarchats

Und wer profitiert davon? Die Männer, die weiterhin ihre Doppelmoral pflegen und sich damit über Frauen stellen können. Die Wahrheit ist doch: Der Bodycount ist ein Instrument der Unterdrückung. Ein Mechanismus, der Frauen klein hält und ihnen einreden soll, dass ihre sexuellen Entscheidungen weniger wert sind als die der Männer.

Freiheit statt Schubladendenken: Der Bodycount muss egal sein

Aber in einer modernen, aufgeklärten Gesellschaft sollte der Bodycount das sein, was er tatsächlich ist: eine belanglose Zahl, die niemanden etwas angeht, außer der Person selbst.

Solange wir jedoch weiterhin an diesem Stigma festhalten, bleibt die wahre Freiheit der Sexualität für Frauen unerreichbar. Schluss mit der Bodycount-Polizei – jeder Mensch hat das Recht, über seinen Körper zu bestimmen, ohne in Schubladen gesteckt zu werden.

Laura Künzel
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