Am Samstag findet zum dritten Mal in Bremerhaven der Christopher Street Day statt. Überall sind Regenbögen, zu lauter Musik zieht die Szene durch die Straßen. Beim CSD feiert die LGBTQIA+ Community sich selbst und ihre Vielfalt. Ob in Bremerhaven oder Bremen, in Berlin oder Hamburg: In ganz Deutschland und in vielen Ländern auf der Welt finden im Sommer diverse Pride-Events statt.
Hinter dem Regenbogen muss weiter gekämpft werden
Was steckt wirklich hinter den bunten Paraden? Mehr als nur Party, Glitzer und Glamour: Es ist ein schreiendes Statement für Gleichberechtigung und Menschenrechte. Die wachsenden CSDs in ganz Deutschland mögen wie ein Zeichen großer Akzeptanz wirken. Die rechtliche Gleichstellung der queeren Community scheint erreicht – oder etwa nicht?
Trotz aller Fortschritte bleibt massiver Handlungsbedarf. „Viele von uns werden oft auf offener Straße schief angeschaut oder mit Schimpfwörtern beleidigt. Manchmal werden sogar Sachen nach uns geworfen“, berichtet Swantje vom Queerfilm Festival Bremerhaven. Gesellschaftliche Akzeptanz ist noch lange nicht überall angekommen.
„Akzeptanz ist das Minimum. Ich möchte auch respektiert werden“, fordert Mika von der queeren Studierendengruppe der Hochschule Bremerhaven. Um Vorurteile abzubauen, müssen Menschen mit dem konfrontiert werden, was sie nicht kennen. Das bedeutet, dass die queere Community einen Rahmen benötigt, in dem sie sich ausprobieren können, auf Augenhöhe sind und ihre Unterschiedlichkeiten feiern können.
Genau deswegen ist der CSD heute wichtiger denn je. Weil er real ist und nicht virtuell. Es reicht nicht, dass nur gefeiert wird. Der Fokus muss auf dem politischen Kampf liegen - er muss laut und sichtbar sein, bis Akzeptanz und Respekt selbstverständlich sind.
Ja, wir brauchen CSD!
Die LGBTQIA+ Community ist eine Minderheit! Und eine Minderheit muss durchgehend um ihre Rechte kämpfen, denn Gesetze ändern sich nicht von selbst. Schwul ist immer noch das Schimpfwort Nummer eins auf deutschen Schulhöfen. Wer kennt nicht den Satz „Ich habe nichts gegen die, aber…“? Dieses „Aber“ ist das versteckte Gift: Die kleine, feine Diskriminierung, die allen Gesetzen zum Trotz noch tief in den Köpfen verwurzelt ist.
Jährlich werden 300 Gewalttaten gegen queere Menschen von der Polizei gemeldet. Selbsthilfeverbände gehen von einer drei- bis zehnmal so hohen Dunkelziffer aus, weil Opfer aus Angst vor Stigmatisierungen keine Anzeigen erstatten. Das Suizidrisiko von homosexuellen Jugendlichen ist vier- bis siebenmal höher als beim Durchschnitt, da sie oft unter Schikanen oder fehlender Unterstützung leiden. 63% der queeren Menschen sind im Beruf ungeoutet, aus Angst vor Ablehnung und Diskriminierung.
Die Realität ist klar: Die Gesellschaft ist noch lange nicht am Ziel. „Ich glaube, dass sich der Fokus in den vergangenen Jahren ein wenig verschoben hat. Wir feiern, was wir erreicht haben, statt dafür zu kämpfen, was wir noch erreichen müssen“, sagt Mika besorgt.
„Der politische Aspekt sollte definitiv im Vordergrund stehen und sowohl jungen als auch alten Menschen zeigen, dass sie nicht alleine sind“, betont Swantje. Trotz der Regenbogenflaggen, trotz der lauten Musik – der Kampf um echte Gleichberechtigung und Respekt ist noch lange nicht vorbei.
Wir dürfen uns nicht in Party und Glitzer verlieren, sondern müssen die Stimme erheben gegen Diskriminierung und Gewalt. Genau diese Meinung vertritt auch Swantje: „Ich halte es für wichtig, weiterzumachen. Vielleicht zu schauen, wie wir diesen politischen Aspekt zurückholen.“
Deswegen - seid bunt! Seid laut! Seid dabei! Macht auf euch aufmerksam, denn nur gemeinsam sind wir weiterhin stark. Der CSD braucht euch und eure Stimme!
GegenWind: Folge 6

Am Samstag ist es in Bremerhaven wieder so weit: Der CSD findet statt. Warum der CSD immer noch eine wichtige Rolle für die Gleichstellung von queeren Menschen spielt, besprechen Laura und Johanna in dieser Woche.