Meinung & Analyse Gegenwind

Gewollt kinderlos - trotz gesellschaftlichem Druck

Immer mehr Frauen entscheiden sich dagegen, Kinder zu kriegen. Die norwegische Autorin Linn Strømsborg hat darüber das Buch „Nie, nie, nie“ geschrieben. Ihre Figur im Buch und ich haben dabei ähnliche Erfahrungen, wie die Gesellschaft darauf regiert.

Titelbild der Kolumne GegenWind mit bunten Wellen

In der Kolumne „Gegenwind“ gehen die Volontäre von Nordsee-Zeitung, Kreiszeitung Wesermarsch und Zevener Zeitung auf gesellschaftliche Debatten ein. Foto: NZ-Grafik

Eines möchte ich direkt am Anfang klarstellen: Ich freue mich für Jeden, der Kinder bekommt. Videos bei Social Media, in denen Frauen in Freudentränen ausbrechen, wenn der Schwangerschaftstest zwei Striche zeigt oder Paare, deren Kinderwunsch jahrelang unerfüllt blieb und bei denen es am Ende doch geklappt hat, berühren mich.

Und doch ist da immer diese Stimme in meinem Kopf, die mir sagt: nicht du! Beim Gedanken an Schwangerschaft, verbunden mit Übelkeit und Sodbrennen, an Geburt mit stundenlangen Wehen und an schlaflose Nächte, weil das Kind Zähne bekommt, denke ich mir: nie, nie, nie. Genau das dachte sich wohl auch Autorin Linn Strømsborg aus Norwegen, als sie 2021 das gleichnamige Buch schrieb.

Gesellschaftlicher Druck

Darin beschäftigt sich ihre 35-jährige Figur damit, wie die Gesellschaft auf Frauen reagiert, die offen darüber sprechen, keine Kinder haben zu wollen.

Wenig überraschend sind es meist die gleichen Reaktionen, die auch ich erhalte. Abgedroschene Floskeln wie: „Warte ab, der Kinderwunsch kommt noch“ über „Eines Tages wirst du bereuen, keine Kinder bekommen zu haben“ hin zu „Ihr könnt ja auch ein Kind adoptieren!“

Und eins haben Linn Strømsborgs Erzählerin und ich gemeinsam: Wir können bei diesen Sprüchen einfach nur den Kopf schütteln und uns fragen, woher sich jemand das Recht nimmt, diese - schlichtweg übergriffigen - Dinge zu sagen.

Beziehung gefährdet?

Strømsborg thematisiert in ihrem Buch auch, dass die Beziehung zum Partner ihrer Figur fast an ihrem nicht vorhandenen Kinderwunsch zerbrochen wäre.

Denn nicht immer sind Paare bei dem Thema einer Meinung. Bei uns zu Hause herrscht, was das angeht, zum Glück Einigkeit. Der Spruch „Warte, bis der Richtige kommt, mit dem du Kinder möchtest“ hat sich nach elf Jahren Beziehung und fünf Jahren Ehe im Familien- und Freundeskreis zum Glück erübrigt.

Doch auch wir konnten uns bereits auf der Hochzeitsfeier anhören: „Und wann kommen die Kinder?“. Doch da wir uns weder an diesem, noch an jedem anderen Tag unserer Beziehung gewünscht haben, 24/7 die volle Verantwortung für ein menschliches Wesen zu übernehmen, lautet die Antwort: nie, nie, nie!

Nicht mehr Paar, nur noch Eltern?

Wenn man über 30 ist, bekommt man hautnah mit, wie im Freundeskreis einer nach dem anderen Kinder kriegt. Ich möchte auch niemanden absprechen, dass er oder sie damit glücklich ist. Trotzdem bekomme ich es allzu oft mit, wenn aus dem Paar, bestehende aus X und Y auf einmal nur noch Mama und Papa werden.

Sätze wie: „Hast du in der Kita angerufen?“ , „Denk dran, die hypoallergenen Windeln zu kaufen“ oder „Ich kann morgen nicht mit zum Konzert, die Kleine ist krank“, zeigen: Aus dem einstigen Paar, welches knutschend bis in die Nacht auf der Tanzfläche stand, sind Eltern geworden.

Eltern, die sich nun bis in die Nacht darüber streiten, wer auf das Konzert verzichtet, um auf „die Kleine“ aufzupassen. Oft bin ich als egoistisch bezeichnet worden, weil ich mir diese Streits und Verantwortung nicht antun möchte. Doch wenn ich wählen kann, ob ich auf der Tanzfläche oder auf dem Parkplatz der Kita stehe, muss ich nicht lange überlegen.

Sensibles Thema

Nach wie vor ist Kinderkriegen ein sensibles Thema. Vor allem ungewollte Kinderlosigkeit, Fehl- und Totgeburten spielen bei vielen Frauen und Paaren eine große Rolle. Statistisch gesehen sind 15 bis 20 % der Frauen in Deutschland unfruchtbar.

Kinderlos sein, das ist nicht immer eine bewusste Entscheidung, so wie bei mir. Darüber zu reden und seine - bewusste oder unbewusste - Kinderlosigkeit zu thematisieren, sollte jeder Frau selbst überlassen bleiben. Denn die Frage nach Kindern löst bei mir vielleicht Augenrollen aus, bei anderen kann sie jedoch verletzend oder sogar traumatisch sein.

GegenWind: Folge 5

05.07.2024
Audio-Vorschaubild

Immer mehr Frauen entscheiden sich dagegen, Kinder zu kriegen. Die norwegische Autorin Linn Strømsborg hat darüber das Buch „Nie, nie, nie“ geschrieben. Ihre Figur im Buch und ich haben dabei ähnliche Erfahrungen, wie die Gesellschaft darauf regiert.

Mareike Blumenthal

Die gebürtige Bremerhavenerin hat schon als Kind ihre Leidenschaft für das geschriebene Wort entdeckt. Als gelernte Restaurantfachfrau hat sie die letzten Jahre jedoch vorerst diesen Beruf ausgeübt. Nun hat sie der Gastronomie den Rücken gekehrt und macht als Volontärin bei der NORDSEE-ZEITUNG ihr Hobby zum Beruf.

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