Es ist so schwer, etwas Helles, Beflügelndes gegenzuhalten - diesen düsteren Tagen, dem erschütternden Geschehen in der Welt und im eigenen Land. Kennen Sie’s auch - dieses wuchernde Gefühl von Ohnmacht? Trauer. Entsetzen.
Manche retten sich mit Scheuklappen ins Alltags-Kleinklein. Manche flüchten in Betäubung aller Art. Andere krempeln die Ärmel auf und versuchen, da zu helfen, wo es geht. Und wieder andere ertrinken im Morast der Schwermut. Von all dem höre, sehe, erfahre ich viel, jeden Tag. Und versuche selbst, mich am eigenen Schopf über Wasser zu halten. Schwer.
Und plötzlich sind da diese Lichter: Da tiriliert es zauberhaft vorm nächtlichen Schlafzimmerfenster - eine Amsel kündigt Morgen an. Meine vor Monaten eingebuddelten fünf Mandarinenkerne auf der Fensterbank treiben jede Menge grüne Blätter aus. In der Redaktion liegt ein rosa Couvert für mich, darin ein Mini-Büchlein mit einem Kaleko-Vers.
Eine Dame schickt eine Mail mit Bild von einem zarten weißen Falter - „so schön kann ein fieser Buchsbaumzünsler sein“. Ach ja, der kleine Kaleko-Vers: „Ich freue mich, dass Herbst dem Sommer folgt und Lenz dem Winter, da steckt ein Sinn dahinter. Ich freue mich - das ist des Lebens Sinn. Ich freue mich, dass ich bin, und dass ich mich an das Schöne und an das Wunder niemals ganz gewöhne...“
Das Schöne liegt vor der Nase. Aber Wunder? Denen muss man die „Hand hinhalten, wie einem kleinen Vogel“. Nicht von Kaleko - von Hilde Domin. Kleine Vögel umschwirren uns - hätte man doch bloß ein paar hundert Hände mehr...

Kleine Morgenüberraschung an einem düsteren Tag: In dem rosa Couvert hat ein freundlicher Mitmensch mir ein Streichholzschachtel-kleines Büchlein zukommen lassen, mit einem Gedicht von Mascha Kaleko. Es gibt sie, die kleinen hellen Wunder am Wegesrand des Alltags.... Foto: Schwan