Moin

Von einer, die auszog, Polarlichter und Kometen zu fangen

Nachts allein am Deich zum Rendezvous mit Außerirdischen. So hatte sie gehofft, die Autorin der NZ-Kolumne, die jeden Tag Erlebtes und Gedachtes erzählt.

Mein Traum - zum Greifen nah. Ich rüste mich aus mit allem, was es für die nächtliche Jagd Mitte Oktober braucht: Wollpullis, Steppweste, Mantel, Wollschal, feste Schuhe, Handy, Courage - und mache mich mitternächtens auf, beglückt, dass ich nicht bis zum Nordkap muss für meinen Kindheits-Traum: Polarlichter fangen. Mein Optimismus bei fast wolkenlos sternklarem Himmel ist grenzenlos. Dann steh ich beim Ochsenturm, einsam, dunkel, bibbernd, und harre. Und starre. Rastere das Firmament nach einem rosagrünen Flimmern ab. Ich stehe, gucke, und sehe - nix. Bloß blinkende Satelliten. Stimmen nahen von unten, schwarze Schemen kommen auf mich zu. Entpuppen sich als junges Paar, das aus Hannover angerückt ist, um Polarlichter zu fangen. „Wir dachten, wo kann man die am besten sehen? Am Meer. Am Deich“, sagt er. „Wir sind nur anderthalb Stunden gefahren“, sagt sie. Sie erzählen von sich, während wir stehen, bibbern, warten, starren. „Ziemlich Wind bei euch“, merkt er zähneklappernd. Kein Arktiswunder. Nach einer Stunde gebe ich, erfroren, auf. In dem Moment, wo ich dem sympathischen Paar Tschüss sage, pingelt ihr Handy, ein Aufschrei: „Neeee! Mama in Hannover schickt Foto vom Dachfenster aus, guck doch: rosa Polarlicht!!“ Na gut, denke ich, dann fange ich eben übermorgen den Kometen. Rüste mich wieder, erklimme nachts einsam den Lunedeich, starre, bibbere, warte. Alle entdecken - erfahre ich tags drauf - den kosmischen Gast. Ich nicht. Ich glaube, das ist richtig mieses Karma.

Susanne Schwan
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