Bremerhaven

Das Drama an Bord der „Fremantle Highway“: Das sagen die Experten in Bremerhaven

Rauchwolken hängen über der Nordsee, Flammen schlagen aus der „Fremantle Highway“. Ihre Ladung nahm das Schiff in Bremerhaven an Bord: Autos, Baumaschinen, Kräne für den Export nach Asien. Die Feuerwehr in Bremerhaven weiß, wie es an Bord aussieht.

Ein Foto, das von einem Flugzeug der niederländischen Küstenwache aufgenommen wurde, zeigt den brennenden Frachter «Fremantle Highway» in der Nordsee. Der deutsche Notschlepper «Nordic» schießt Wasser auf den Rumpf, um die Bordwand zu kühlen.

Ein Foto, das von einem Flugzeug der niederländischen Küstenwache aufgenommen wurde, zeigt den brennenden Frachter «Fremantle Highway» in der Nordsee. Der deutsche Notschlepper «Nordic» schießt Wasser auf den Rumpf, um die Bordwand zu kühlen.

Gut zwei Tage lang lag die „Fremantle Highway“ im Bremerhavener Nordhafen, um fast ihre gesamte Ladung hier aufzunehmen: Etwa 2.500 Fahrzeuge verschiedener Hersteller und Modelle sowie High & Heavy-Güter, bestätigt die BLG - ein Wert von 100 Millionen Euro ist da schnell erreicht. Die Fahrt sollte nach Asien gehen, beinahe vier Wochen nonstop nach Singapur und weiter über Taiwan bis Japan. Alle 10 bis 14 Tage starten Frachter der „K“-Line diese Rundtour in Bremerhaven.

Sechs Stunden nach der Abfahrt bricht das Feuer aus

Die „Fremantle Highway“ hatte die Nordschleuse gut sechs Stunden hinter sich gelassen, als das Feuer ausgebrochen sein muss. Schiffstracker wie Marinetraffic und Vesselfinder, die den globalen Seeverkehr verfolgen, zeigen, dass das Schiff gegen 21.30 Uhr seinen Kurs verlässt und Fahrt rausnimmt. Die Besatzung soll zunächst selbst versucht haben, zu löschen. Die niederländische Küstenwache geht davon aus, dass die Batterie eines der 25 geladenen E-Autos an Bord sich selbst entzündet hat. Brandoberamtsrat Frank Klaeßen von der Bremerhavener Feuerwehr weiß, was das meist bedeutet: „Man kann da nur sehr schwer etwas machen.“ Selbst wenn ein Feuer gelöscht sei, laufe die chemische Reaktion in der Batterie weiter, so dass sich der Brand tagelang immer neu entfachen könne. Selbst wenn an Land nur ein einziges E-Auto brennt, weiß die Feuerwehr nur einen Rat: Es in einer mit Wasser gefüllten Mulde zu versenken.

Es gelten besondere Vorgaben für E-Autos auf Schiffen

Um das Risiko beim Transport auf See zu minimieren, gelten Sicherheitsvorgaben wie gesonderte Stellplätze auf den Ladedecks, auch der „International Maritime Code for Dangerous Goods“ nennt spezielle Sicherheitsvorgaben und Prüfstandards für Lithiumbatterien. Die Sprinkleranlagen in den Decks der Autotransporter allein könnten wenig ausrichten, sagt Klaeßen. Hinzu komme, dass die Fahrzeuge an Bord so eng geparkt werden, dass ein Feuer sich schnell ausbreiten könne, die Autos und vor allem deren

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Batterien nur schwer zu erreichen seien.

Die Bremerhavener Feuerwehr ist spezialisiert auf die Bekämpfung von Schiffsbränden, mehr als 60 der 220 Mitarbeiter sind eigens geschult in der besonderen Taktik, ein Feuer auf einem Schiff zu bekämpfen, die Besonderheiten von Schiffen und den unterschiedlichen Gefahren, die davon ausgehen. „Wir stellen dem Havariekommando Teams“, sagt Klaeßen. Die Feuerwehrleute wissen um die hohe Gefahr für ihr eigenes Leben bei einem Schiffsbrand. Sie üben, von einem Hubschrauber geborgen zu werden, sie haben den Kurs „Überleben auf See“ absolviert, sind mit besonderer Ausrüstung geschult. Nur zehn Feuerwehren in Deutschland können das.

Löschwasser soll Auseinanderbrechen des Schiffes verhindern

Wäre das Feuer an Bord der „Fremantle Highway“ noch in deutschen Gewässern ausgebrochen, wäre die Bremerhavener Feuerwehr vermutlich eingebunden in den Einsatz.

Aber so wie das Schiff noch in Flammen stehe, könne niemand an Bord, sagt Klaeßen. Den Rumpf von außen zu kühlen diene nur den Zweck, ein Kentern oder Auseinanderbrechen des Frachters zu verhindern. Könnte das Schiff von Löschkräften betreten werden, käme spezielles Gerät zum Einsatz: „Fognails“ etwa, das sind Lanzen, die Wassernebel verschießen, oder auch ein spezielles Schneid-Löschgerät, dass die Schiffshaut öffnet und gleichzeitig löscht. Von oben arbeite man sich ins Innere vor, gleichzeitig komme von unten die Hitze.

Klaeßen weiß aber: Je mehr Löschwasser ins Innere gelangt, desto instabiler wird das Schiff. „Das Gewicht verteilt sich nicht gleichmäßig“, das Löschwasser bewege sich und könne zum Kentern führen. Nautiker berechneten daher, wie viel Wasser mit Löschkanonen ins Schiff „geschossen“ werden darf.

An Bord der „Fremantle Highway“ ist niemand mehr. Die Besatzung sprang über Bord oder wurde per Hubschrauber gerettet. Ein Seemann starb, 15 wurden verletzt. Mit Knochenbrüchen, Atemproblemen und Brandverletzungen werden sie in niederländischen Kliniken behandelt. Sieben der Besatzungsmitglieder konnten ihr Schiff unverletzt verlassen.

Deutsche Notschlepper werden von Bremerhaven aus betreut

Ein Schnappschuss, erst am Montag fotografiert: die "Fremantle Highway" in Bremerhaven.

Ein Schnappschuss, erst am Montag fotografiert: die "Fremantle Highway" in Bremerhaven. Foto: Ingo Ischt

Gegen Mitternacht ging der Alarm in den Niederlanden ein. Gut 50 Kilometer hat die „Fremantle Highway“ die deutschen Gewässer da verlassen, aber das Havariekommando in Cuxhaven schickt von Helgoland den Notfallschlepper „Nordic“ los, bietet Hilfe an. Auch von Wilhelmshaven läuft die „Fairplay 30“ aus. Beide Schiffe werden von der Fairplay-Reederei bereedert, die von ihrer Bremerhavener Niederlassung aus die Arbeit der Arbeitsgemeinschaft Küstenschutz koordiniert, Notschlepper und speziell ausgebildete „Towing Assistance Teams“ – erfahrene Seeleute, die für den Einsatz auf manövrierunfähigen und verlassenen Schiffen ausgebildet sind - vorhält. „Aber so wie es brennt kommt man nicht an Bord“, sagt Kapitän Bernd Albrecht von Fairplays „Coast Protection“. Der „Nordic“ bleibt nur, stundenlang ihren Löschmonitor auf die Bordwand auszurichten. Ein niederländischer Schlepper hat die „Fremantle Highway“ am Haken. Die Situation, teilt die niederländische Küstenwache mit, sei stabil. Aber das Schiff brennt weiter.

Über die Autoren

Christian Eckardt

Autor

Christian Eckardt ist als freier Mitarbeiter für den Nordsee Medienverbund bestehend aus Nordsee-Zeitung, Kreiszeitung Wesermarsch und Zevener Zeitung tätig. Seine Berichte finden sich unter diesem Autorenprofil gesammelt wieder.

Thorsten Brockmann
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