Dieser Artikel erschien erstmals am 2. Mai 2021.
Da wo früher ein Stall war, erstreckt sich nun ein lichtdurchfluteter Wohn-Essbereich. Drei Jahre haben Mascha und Tobias Lühning gebraucht, um die erste Hälfte eines alten Resthofs im Kreis Cuxhaven zu ihrem Traumhaus umzubauen. Und die Sanierung ist längst nicht abgeschlossen. „Einige haben uns für bekloppt erklärt, als wir das Haus gekauft haben“, erinnert sie sich schmunzelnd. Viele Visionen, aber keine Bauerfahrung - kann das gut gehen?
Manche Beziehungen zerbrechen an einem Projekt dieser Größenordnung. Missgeschicke, unvorhergesehene Kosten oder verschiedene Vorstellungen können das Traum- in ein Albtraumprojekt verwandeln. Bei Mascha und Tobias Lühning war das anders: „Die Arbeit am Haus hat uns noch näher zusammengebracht“, sagt sie. Mit ihren Kaffeetassen lehnen die beiden an der neuen Kochinsel. Gerade erst sind sie von der Arbeit nach Hause gekommen - ein Moment der Entspannung zwischen all den laufenden Projekten.

Die Traumhaus-Ruine von Mascha und Tobias Lühning ist ein altes Niedersachsenhaus aus dem Jahr 1900. Foto: Arnd Hartmann

„Alle Dinge die uns wichtig sind, haben einen Namen. Deshalb haben wir unser Haus Runie genannt“, sagt Mascha Lühning. „Runie ist natürlich abgeleitet von Ruine. Viele fragen uns immer, ob wir den Namen einfach falsch geschrieben haben. Aber nein, unser Haus heißt wirklich so.“ Foto: Arnd Hartmann
Alles um sie herum haben Mascha und Tobias Lühning mit ihren eigenen Händen gebaut oder gezielt ausgesucht. Er hat die graue Beton-Oberfläche der Kochinsel selbst gegossen und montiert. Sie hat die verspielten, handgefertigten Zementfliesen nach langem Abwägen in Marokko bestellt. Wochenlang haben die beiden online recherchiert, bis sie das geradlinige, graue Cordsofa entdeckten. Heute verrät der gesamte Wohn- und Essbereich nichts mehr von seiner Vorgeschichte als Kuhstall.
800 Stunden schleifen nach der Arbeit
Seit dem Kauf des Hauses hat das Paar unzählige Stunden Arbeit in die Sanierung gesteckt - neben der alltäglichen Arbeit als Versicherungskauffrau und Altenpfleger. „Alleine die Wände haben wir 800 Stunden geschliffen“, sagt sie. „Du meinst wohl, ich hab sie geschliffen,“ erwidert der 34-Jährige mit einem Zwinkern. Seine Frau hebt belustigt die Augenbrauen: „Ich auch, mein Lieber!“

Die Sanierung des Stalls ist abgeschlossen. Jetzt folgt der Umbau des altes Wohnhauses. Foto: Arnd Hartmann
Dialoge wie diese kann man zwischen Mascha und Tobias Lühning häufig beobachten. „Ein Umbau hat immer mit Stress zu tun. Humor hilft dagegen. Außerdem darf man es seinem Partner nicht übel nehmen, wenn er mal schlecht gelaunt ist. Und wenn es doch Streit gibt, sollte man sich schnell wieder vertragen. Die Beziehung ist einfach wichtiger als jedes Projekt“, betont sie.
Die Erkenntnisse kamen mit der Zeit. Als das Paar im Jahr 2018 die Resthof-Ruine kaufte, wussten sie wenig darüber, wie man ein Haus saniert und welche Herausforderungen auf sie warten würden. Bis zu der lebensverändernden Entscheidung hatten sie rund sechs Jahre in einer eher gewöhnlichen Wohnung in Bremen gelebt.
Auf der Suche nach dem Rohdiamanten
Nach der Hochzeit im Jahr 2017 war klar, dass der nächste Schritt folgen soll. „Wir wollten immer etwas besonderes haben - zum Beispiel eine Lagerhalle oder einen alten Hof. Ein Haus, das wir nach unseren Vorstellungen umbauen können“, erinnert sich die 31-Jährige. Sie suchten die gesamte Region rund um Bremen und das Cuxland ab, bis sie schließlich auf das alte Niedersachsenhaus aus dem Jahr 1900 stießen. „Wir waren sofort verliebt und wussten einfach: Das ist ein Rohdiamant“, schwärmt sie. Wo genau das Haus liegt, wollen die beiden nicht verraten, um ihre Privatsphäre zu schützen.
So wohnt der Norden: Vom Resthof zum Traumhaus
Ohne Bauerfahrung einen alten Resthof umbauen - kann das gut gehen? Mascha und Tobias Lühning aus dem Landkreis Cuxhaven wagen das Abenteuer.
Das Paar wurde sich schnell mit den Vorbesitzern einig, doch es stellte sich heraus, dass die Finanzierung problematischer werden würde als gedacht. „Viele Banken haben uns gleich wieder rausgeschickt, als sie erfahren haben, dass es um einen Resthof geht. Die Antwort war immer: Sie verdienen gut, aber einen Resthof finanzieren wir nicht“, so Mascha Lüning. „Von den Banken und Finanzberatern, die übrig geblieben sind, haben wir uns Angebote geben lassen und uns schließlich für eines entschieden.“
Ein Schnäppchen mit viel Eigenleistung
120.000 Euro kostete das 5000 Quadratmeter-Grundstück mit den rund 300 Quadratmetern Wohnfläche. „Damals war der Preis ok. Jetzt wäre das ein Schnäppchen“, sagt sie. Doch bei einer Kernsanierung ist nicht allein der Kaufpreis entscheidend. „Für uns war von Anfang an klar, dass wir so viel wie möglich selbst machen wollen. Trotzdem haben wir bisher schon ungefähr 100.000 Euro in den Umbau gesteckt“, schätzt sie. „Und ich will gar nicht wissen, wie viel da noch kommt.“
Den ehemaligen Kuhstall haben sie vor einigen Monaten fertiggestellt. Jetzt ist der hintere Teil des Hauses an der Reihe. Bisher ist dort nur wenig von den Visionen der beiden Eigentümer zu sehen. Statt einem Büro, einem Hauswirtschaftsraum, einem Gästezimmer und einem Schlafzimmer mit begehbarem Kleiderschrank, stehen hier Schubkarren mit Ziegelsteinen neben den nackten Wänden.
Humor statt Stress
Stressen lassen sich Mascha und Tobias Lühning aber nicht. Trotz der Fülle an Arbeit, sind sie nicht jeden Tag auf der Baustelle. Wenn sie sich einen freien Abend gönnen, sitzen sie in ihrer kleinen Chill-Ecke am Fenster und planen die kommenden Veränderungen - während die warme Abendsonne das Muster der Zimmerpflanzen auf den hellen Holzboden wirft.

Den Einrichtungsstil ihres Hauses beschreibt Mascha Lühning als "Landhaus-Loft". Das alte Backsteingemäuer soll sich optisch mit dem modernen Kamin verbinden. Foto: Arnd Hartmann

Küche und Wohnzimmer befinden sich gemeinsam in einem großen Raum - dem ehemaligen Kuhstall. Foto: Arnd Hartmann
„Wenn wir erst in fünf Jahren fertig sind, weil wir nicht genug Geld oder Zeit haben, dann ist das halt so“, sind sie sich einig. Kein Druck sondern kleine Schritte in die richtige Richtung, lautete ihre Devise von Anfang an. „Aber das alles funktioniert natürlich nur, wenn man genügend Helfer hat. Unsere Familien standen von Anfang an hinter uns und sind fast jedes Wochenende hier“, betont sie.
Was man braucht
Einen detaillierten Plan, wie die Räume nach der Sanierung aussehen sollen, hat das Paar nicht. Immer wieder passen sie ihre Vorstellungen an die baulichen Gegebenheiten des alten Hauses an. Als Sohn eines Zimmermanns hatte Tobias Lühning bereits handwerkliche Vorerfahrung, aber das allein sei nicht ausschlaggebend: „Man sollte vielleicht nicht unbedingt zwei linke Hände haben, aber viel wichtiger ist es, dass man Lust auf so ein Projekt hat und sich gut informiert“, ist sie überzeugt.
Aus der Ruine wird ein individueller Wohntraum
Vor dem Kauf habe sich das Paar beispielsweise beim Bauamt erkundigt, ob sie den Stall überhaupt in ein Wohnhaus umbauen dürfen und errechnet, wieviel Geld sie ungefähr für den Umbau brauchen. „Wir haben eine Tabelle erstellt und auf den Betrag noch mal locker 30 Prozent draufgeschlagen“, fasst sie zusammen. Kalkulationen gehören für die gelernte Versicherungskauffrau zum Alltag.
Über 120.000 Follower
Eine zusätzliche finanzielle Unterstützung ergab sich hingegen eher unerwartet. Schon zum Beginn der Umbauarbeiten hatte Mascha Lüning damit begonnen, ein Bau-Tagebuch auf Instagram zu führen. „Das war eigentlich nur für uns gedacht“, erzählt sie lachend. Doch nach und nach hätten sich die Follower auf ihrem Kanal „traumhausprojekt.runie“ wie von selbst vermehrt. „Als wir die ersten Ergebnisse gezeigt haben, waren es plötzlich 10.000 Follower und inzwischen sind es über 124.000.“
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Aus dem Hobby wurde ein Zweitjob, denn mit den Followern kamen auch die Angebote für Kooperationen und Werbeplatzierungen. Etwa 100 Euro pro 10.000 Follower bekomme man für einen Werbepost, überschlägt sie. Verallgemeinern könne man das aber nicht. „Ohne Instagram würde es hier zu diesem Zeitpunkt noch nicht so schön aussehen“, sagt sie und deutet auf die Sitzecke. Das graue Cord-Sofa wurde zum Teil vom Hersteller gesponsert.
Rückschläge auf dem Dach
Auf Instagram teilt das Paar aber nicht nur die Erfolge, sondern auch die Misserfolge, die bei Sanierungsarbeiten nicht ausbleiben. Gleich zum Beginn der Umbauten gab es Rückschläge: Innerhalb eines Tages hatten das Paar und zahlreicher Helfer das halbe Dach abgedeckt und neu gelattet. Doch dann kam der Schock: Das Lattenmaß war falsch und die Arbeit ging von vorne los.
„Wir dachten noch: Ok, kein Problem, das geht ja ganz schnell, aber dann war das alles doch nicht so einfach und hat sich ewig hingezogen.“ Statt der geplanten vier Wochen waren sie schließlich mehr als drei Monate mit dem Dach beschäftigt - oft ab sechs Uhr morgens, um der sengenden Sommersonne zu entgehen.
„Natürlich streitet man sich in solchen Situationen manchmal. Gerade am Anfang war es schwierig“, räumt Mascha Lühning ein und wirft ihrem Mann einen neckenden Blick zu: „Wir sind beide Sternzeichen Widder und die haben immer einen sehr sturen Kopf. Deshalb konnten wir früher gar nicht zusammen arbeiten.“ Tobias Lühning grinst verschmitzt zurück: „Aber man wächst mit der Zeit.“
So wohnt der Norden
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