Bremerhaven

Schau in der Goethe45: Nils Rüdiger setzt sich mit Barock-Vorbildern auseinander

Das Barock-Zeitalter - keine Epoche der Kulturgeschichte vereint so viel Widersprüche. Das rückt diese Zeit vor 400 Jahren nah an uns heran. Findet jedenfalls Nils Rüdiger und arbeitet sich malerisch am Barock ab. Zu sehen in der Galerie Goethe45.

Wäre da nicht die verräterische schwarze Leerstelle, wo eigentlich das Gesicht sein sollte, das Bild von Nils Rüdiger in der Galerie Goethe45 könnte glatt als Barock-Gemälde durchgehen.

Wäre da nicht die verräterische schwarze Leerstelle, wo eigentlich das Gesicht sein sollte, das Bild von Nils Rüdiger in der Galerie Goethe45 könnte glatt als Barock-Gemälde durchgehen. Foto: Privat

Das Gesicht des Mannes in Rot - es kann nur ein Mann sein, allein die herrschaftliche Pose verrät sein Geschlecht - ist nur ein schwarzer Fleck mit hellen Einsprengseln. Seine Kleidung, der Speer in seiner Hand weisen ihn aus als jemanden aus einem anderen Zeitalter. Das Bildnis des Mannes, zu dessen Füßen ein Dackel tollt, scheint in einem anderen Jahrhundert entstanden zu sein. Doch der Eindruck täuscht, gemalt hat ihn der Bremer Künstler Nils Rüdiger, Jahrgang 1966. Mit Werken, die sich alle mit dem Barock auseinandersetzen, bestreitet er die Geburtstagsausstellung in der Galerie Goethe45.

„Das ist ein Riesenprojekt“, erzählt Rüdiger. Er hatte, so formuliert er es, „das rätselhafte Bedürfnis, das, was ich im Angesicht barocker Kunst wahrnehme und empfinde, was mich anspricht und irritiert, zu erfassen und dafür eine eigene Form zu finden“.

Zunächst eng an die Vorlagen gehalten

Anne Schmeckies war so fasziniert von den Arbeiten Nils Rüdigers, dass sie ihn einlud, die Ausstellung zum zehnten Geburtstag der Goethe45 zu bestreiten.

Anne Schmeckies war so fasziniert von den Arbeiten Nils Rüdigers, dass sie ihn einlud, die Ausstellung zum zehnten Geburtstag der Goethe45 zu bestreiten. Foto: Privat

Anfangs hielt er sich noch eng an die Vorlagen der historischen Arbeiten. Wie bei dem Mann in Rot, der auch die Einladungskarte ziert. Oder der Frau vor dem Fenster. Das feine Gewebe der Kleidung ist so gut getroffen, dass die Betrachter am liebsten mit den Händen über die Stoffe streichen würden. Außerdem stellt Rüdiger seine Figuren in die Landschaft und setzt auf kräftige, leuchtende Farben wie die Maler des Barocks.

Nils Rüdiger beschäftigt sich nicht erst seit gestern mit dem Barock. „Woher das Wort stammt, ist bekannt?“, fragt er. Und setzt gleich zu einer Erklärung an. „Die Juweliere in Portugal bezeichneten als ,barocco‘ unregelmäßige, schiefe Perlen.“

Das Zeitalter des Barocks war geprägt durch Umbrüche. Alte und neue Vorstellungen prallten aufeinander, auf der einen Seite die religiösen Eiferer, die die Hexenverbrennungen organisierten, auf der anderen die Philosophen der Aufklärung wie der Deutsche Gottfried Wilhelm Leibnitz.

Philosophische Ideen inspirieren den Maler

Leibnitz hatte die Idee von einer Ur-Einheit, der Monade, in der alles bis zur Unendlichkeit gefaltet ist und in der bereits jede Möglichkeit enthalten ist. Wie lässt sich diese Idee in Malerei umsetzen? Rüdiger bekennt: „Auch in meinen Bildern ist alles gefaltet.“ Stimmt - nur dass bei dem Zeitgenossen die Formen immer abstrakter werden. Rüdiger löst sich immer mehr vom Gegenstand. Jede Pose und jedes Gewand fächert der Künstler so lange auf, bis nur noch die reine Form übrig bleibt. Und die Farbe natürlich. Und da vor allem Petrol und Pink. Anders gesagt: In der Serie „irregular shapes“ übersetzt er barocke Ideen in abstrakte Farben. In einem dritten Schritt spielt der Künstler aus Bremen noch stärker mit Licht und Schatten, die Formen erobern den Raum.

Nils Rüdigers „Barockdame“ scheint einem Adels-Porträt entsprungen.

Nils Rüdigers „Barockdame“ scheint einem Adelsporträt entsprungen. Foto: Privat

Seine Bilder malt Rüdiger oft wie im Rausch. „Ich arbeite manchmal Tag und Nacht. Da kann ich schon mal 24 Stunden hintereinander an einem Bild sitzen“, verrät er. Das Ergebnis seiner Nass-in-Nass-Malerei zieht auf jeden Fall die Betrachter in den Bann. So ganz ungegenständlich scheinen selbst die abstrakten Arbeiten nicht zu sein. In dem Farbenwirbel finden sich immer wieder entfernte Anklänge an die reale Welt. Anne Schmeckies, die seit zehn Jahren mit ihren Ausstellungen in der Goethe45 moderne Kunst nach Lehe bringt, war hingerissen. „Ich finde die Bilder berauschend und schön“, lobt sie. Und recht hat sie. Eine herrliche Geburtstagsausstellung.

Auf einen Blick

Was: „Nils Rüdiger: irregular shapes“Wo: Galerie Goethe45 in der Goethestraße 45Wann: Bis zum 30. Juli. Die Schau ist dienstags, donnerstags und sonntags von 16 bis 18 Uhr zu sehen.

Anne Stürzer
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