Nordenham

Apotheken in der Wesermarsch heute zu: Darum geht‘s

Nahezu alle Wesermarsch-Apotheken bleiben am Mittwoch, 14. Juni, geschlossen. Anlass ist ein bundesweiter Streik, mit dem auf die Probleme der Pharmazeuten hingewiesen werden soll. Welche das sind, erklärt Apotheker Norbert Schulze aus Nordenham.

Norbert Schulze vor seiner Stadt-Apotheke in Nordenham

Bundesweit bleiben die Apotheken am 14. Juni geschlossen. Auch die Pharmazeuten in der Wesermarsch machen mit. Norbert Schulze, Inhaber der Stadt-Apotheke in Nordenham, erklärt, worum es bei der Aktion geht. Foto: Meis

Wenn Norbert Schulze, Inhaber der Stadt-Apotheke in der Fußgängerzone und noch der Vital-Apotheke am Marktplatz, über die derzeitigen Probleme seiner Branche spricht, gerät er regelrecht in Rage. „So geht es nicht weiter. Das Ende der Fahnenstange ist erreicht“, sagt er.

Deshalb bleiben die Apotheken in der Wesermarsch am Mittwoch fast alle geschlossen. Es geht zu einer zentralen Kundgebung in Oldenburg. Den Notdienst übernimmt die Sonnen-Apotheke in Brake.

Diese Forderungen stellen seine Kollegen und er an die Bundesregierung und die Krankenkasse:

- Anhebung der Festpauschale: Wenn in diesen Tagen in den Medien über den bevorstehenden Apotheker-Streik berichtet wird, ist oft von „Honoraranpassungen“ oder „höheren Honorarabschlägen“ die Rede. Norbert Schulze erklärt, was die Apotheker damit meinen: „Für jedes Medikament, das wir verkaufen, erhalten wir im Grunde seit 20 Jahren die gleiche Festpauschale in Höhe von 8 Euro - egal, wie teuer das Präparat ist. Vor zehn Jahren ist die Pauschale um ein paar Cent erhöht worden - seitdem hat sich nichts getan“, macht er deutlich.

Anfangs seien 8 Euro pro Medikament tatsächlich ausreichend gewesen, doch die Zeiten hätten sich drastisch geändert. „Mittlerweile bräuchten wir 12 Euro, damit es passt“, sagt er.

- Abbau der Bürokratie: „Wir Apotheker sehen uns mit einer unfassbar großen Masse an blödsinniger Bürokratie konfrontiert. Das muss dringend besser werden“, sagt Norbert Schulze. Er nennt zwei Beispiele: Dass seine Mitarbeiter wissen, wie sie Kittel, die sie de facto nie tragen, richtig zu schließen haben, muss dokumentiert werden. Auch dass sein Team weiß, wo sich im Fall eines Brandes die Sammelstelle befindet, bedarf einer Dokumentation. Vieles müsse ständig, immer wieder schriftlich festgehalten werden, klagt Norbert Schulze. Das koste viel Zeit, die an anderer Stelle fehle.

- Schluss mit den Rabattverträgen: Seit dem Jahr 2007 schließen Krankenkassen mit Arzneimittelherstellern Rabattverträge ab. In einem Rabattvertrag gewährt ein Hersteller einer Kasse einen Rabatt auf den Abgabepreis für ein Medikament oder auch ein ganzes Sortiment. Im Gegenzug sichert die Krankenkasse zu, dass alle ihre Versicherten im Normalfall künftig nur dieses Präparat erhalten. „Dieses Rabattsystem hat eine Spirale ausgelöst, die alles nach unten zieht“, sagt Norbert Schulze. Um die Kosten zu reduzieren, sei mittlerweile die ganze Wirkstoff-Produktion ins Ausland verlagert worden - vornehmlich nach Asien. „Doch Asien liefert nicht mehr“, sagt er. Die Folge: Bei vielen Medikamenten gibt es schon seit längerem Lieferengpässe. Selbst gängige Antibiotika, Krebsmittel oder Fiebersäfte für Kinder fehlen. Tägliche Aufgabe der Apotheker sei es, diese Mangelwirtschaft zu verwalten, so der Apotheker.

Doch was passiert, wenn Bundesregierung und Kassen auf die Forderungen der Apotheken nicht eingehen? „Dann geht das Apotheken-Sterben ungebremst weiter“, prophezeit Norbert Schulze, der zum 15. Juli seine Zweit-Apotheke, die Vital-Apotheke, schließen wird. Sie rentiert sich nicht mehr. „Als ich vor 33 Jahren in Nordenham anfing, gab es hier noch zehn Apotheken, bald sind es nur noch vier“, sagt er. Wenn das so weitergehe, sei die Vor-Ort-Versorgung irgendwann weg. Dann gäbe es keinen Apotheken-Notdienst mehr, niemanden, der noch Rezepturen anfertigt. Norbert Schulze: „So etwas macht keine Online-Apotheke.“

Timo Kühnemuth

Reporter

Timo Kühnemuth ist gebürtiger Ostfriese. Nach dem Magisterstudium in Oldenburg hat er bei der KREISZEITUNG WESERMARSCH volontiert. Von 2006 bis 2010 arbeitete er bei Zeitungen in Buxtehude und Delmenhorst. Seit April 2010 ist er wieder für die Kreiszeitung Wesermarsch im Einsatz.

1 Kommentare
Frank Wilmes 12.06.202321:25 Uhr

Viele Kunden sollten die Apotheken bei ihrer Demo in Oldenburg unterstützen! Denn wir,die Kranken werden das sehr bald ausbaden müssen. Die Ärzte verschwinden und bald auch die Apotheken. Das kann und darf nicht so weiter gehen!

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