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Brandserie: Warum ließ die Polizei die drei Verdächtigen wieder laufen?

Die Schäden der Brandnacht sind in Sittensen nahe der A1 und in Weertzen vier Tage nach den jüngsten Brandstiftungen deutlich zu sehen. Am Dienstag meldete die Polizei einen Ermittlungserfolg. Autohändler Rainer Viebrock ist dennoch unzufrieden.

Schon von weitem war der Feuerschein bei Alga in der Nacht zum Sonntag zu sehen. Es entstand ein Millionenschaden.

Schon von weitem war der Feuerschein bei Alga in der Nacht zum Sonntag zu sehen. Es entstand ein Millionenschaden. Foto: Feuerwehr

Nachdem die Polizei noch am Montag gegenüber der ZEVENER ZEITUNG äußerte, keine heiße Spur aus der Bevölkerung zu verfolgen, meldete ihr Pressesprecher Heiner van der Werp am Dienstag einen Ermittlungserfolg.

Demnach wurden drei Männer zwischen 22 und 26 Jahren im Zusammenhang mit der Brandserie im Landkreis Rotenburg vernommen. Sonderermittler waren ihnen auf die Spur gekommen, hieß es. Die Wohnungen der Männer wurden durchsucht, sie wurden zur Befragung mitgenommen - und konnten anschließend wieder nach Hause.

Geschädigter Autohändler äußert sich beunruhigt

Nicht nur Rainer Viebrock fragt sich, warum die offenbar dringend tatverdächtigen Männer nach ihrer Befragung bei der Polizei wieder nach Hause durften. Der Chef der Firma BV Mobile (Weertzen) macht keinen Hehl daraus, dass ihn das ärgert. „Es beunruhigt mich, dass die wieder auf freiem Fuß sind und ich kann das auch überhaupt nicht verstehen.“

Am Wochenende ist bei ihm ein Multivan ausgebrannt. Nur wenig später standen etwa 25 Busse bei der Firma Alga in Sittensen in Brand. Eine Katastrophe, so Viebrock.

Schlimmeres verhindert: Nachbarn und Feuerwehr reagieren beherzt

Der Autohändler mag sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn dabei Menschen verletzt worden wären. „Die Feuerwehrleute hätten von den einstürzenden Hallenteilen getroffen werden können“, sagt er.

Und auch bei ihm sei nur durch den großartigen Einsatz der Weertzener Ortsfeuerwehr und die beherzte Hilfe von Nachbarn Schlimmeres verhindert worden. „Auch bei uns sollten mehr Autos brennen“, sagt Viebrock.

Orte der Brandstiftung

Karte: Mapcreator.io | OSM.org

Ist jetzt wirklich Schluss mit der beunruhigenden Brandserie?

Er hat sich einen Feuerlöscher geschnappt und damit begonnen, den brennenden Kleinbus zu löschen, während Nachbarn die anderen Autos weggefahren haben. Und auch die Halle, an deren Wand die Fahrzeuge parkten, war gefährdet.

„Wieso lässt die Polizei die wieder laufen?“, fragt Viebrock. Für ihn ergibt das überhaupt keinen Sinn - es sei denn, die Polizei sei sich doch nicht so sicher, die Brandstifter dingfest gemacht zu haben, überlegt der Autohändler. Er fragt sich: „Sind die das wirklich oder geht das doch noch weiter?“

Polizei: Für eine Untersuchungshaft gibt es nicht genügend Gründe

Wir haben die Polizei gefragt, warum die drei jungen Männer nach dem Verhör wieder nach Hause gehen durften. Wie ein Polizeisprecher uns gegenüber erklärte, werden Haftgründe benötigt, um Tatverdächtige in eine Zelle zustecken.

Das sind Flucht- oder Verdunkelungsgefahr, die Schwere der Tat, oder die Gefahr der Tatwiederholung. Wenn diese Faktoren nicht in ausreichendem Maße vorliegen, ordnet der Haftrichter - wie im vorliegenden Fall - keine Untersuchungshaft an, so die Auskunft.

Die Tankstelle in Sittensen wackelte, als die Gastanks bei Alga explodierten

Wie professionell und engagiert die Helferinnen und Helfer in der Brandnacht vor vier Tagen im Einsatz waren, das haben sie auch in der Shell-Tankstelle in Sittensen hautnah mitbekommen.

„Die ganze Tankstelle hat gewackelt, als die Gastanks bei Alga explodiert sind“, sagt eine Mitarbeiterin. Ihr Kollege, der in der Brandnacht Dienst hatte, hat die Einsatzkräfte mit Kaffee versorgt. Auf dem ganzen Tankstellengelände war reges Treiben, die Tanklöschfahrzeuge haben dort Wasser nachgefüllt und man konnte das Feuer hören, sehen und riechen.

Täter in Wilstedt nach Brandserie in den Neunzigerjahren nie gefasst

Die Berichte über die jüngste Brandserie verfolgt man auch im knapp 40 Kilometer entfernten Wilstedt aufmerksam. Auch dort hat es vor Jahren eine Serie von Brandstiftungen gegeben. Der oder die Täter damals wurden allerdings nie geschnappt. „Es hörte irgendwann einfach auf“, erinnert sich Jochen Becker, damals stellvertretender Ortsbrandmeister.

Drei Großbrände und mehrere kleinere Feuer hat es zwischen 1997 und 2000 in der Gemeinde gegeben. Das Schlimme daran: Es wurden gezielt Ställe mit Tieren angezündet. Viele Rinder und auch Pferde verbrannten. Becker: „Da kommen natürlich sofort wieder Erinnerungen hoch, wenn man das von den Bränden jetzt mitbekommt“, sagt er im Gespräch mit der ZEVENER ZEITUNG.

Warum werden immer so schnell Feuerwehrleute verdächtigt?

Was ihn damals besonders belastete, war die Tatsache, dass es sofort geheißen habe: Das muss doch jemand aus der Feuerwehr sein. „Dass die eigenen Leute verdächtigt werden, war für mich das Schlimmste“, sagt Becker.

Warum die Menschen schnell Feuerwehrleute verdächtigen, das kann der Wilstedter sich nicht erklären. Wenn man Geltungssucht als Motiv anführe, dann könnten grundsätzlich auch andere Helfergruppen in den Fokus geraten. Doch das sei ebenso unfair wie unsinnig. „Wir wollen helfen“, sagt er. Menschen, die Brände legen, seien krank, „die brauchen Hilfe“, unterstreicht der Feuerwehrmann.

Ausgebrannte Busse stehen auf dem Gelände der Firma Alga in Sittensen. Dort und bei einem Autohändler in Weertzen wurde vor vier Tagen ein Feuer gelegt.

Ausgebrannte Busse stehen auf dem Gelände der Firma Alga in Sittensen. Dort und bei einem Autohändler in Weertzen wurde vor vier Tagen ein Feuer gelegt. Foto: Saskia Harscher

Über die Autoren

Saskia Harscher

Reporterin

Saskia Harscher ist im Landkreis Rotenburg aufgewachsen. In Bremen hat sie Politikwissenschaften studiert. Sie arbeitet seit 2019 in der Redaktion der ZEVENER ZEITUNG. Dort ist sie stellvertretende Leiterin und zuständig für die Berichterstattung aus der Samtgemeinde Tarmstedt.

Andreas Kurth

Reporter

Andreas Kurth ist gebürtiger Rotenburger, hat dort das journalistische Handwerk gelernt. Er hat Politik und VWL in Hamburg studiert, mit dem Diplom abgeschlossen. Seit April 1993 ist er Redakteur bei der Zevener Zeitung.

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