Viereinhalb Jahre sind seit der Großrazzia von Zoll und Polizei vergangen, bei der die Beamten wegen des Verdachts auf illegale Beschäftigung und bandenmäßigen Schleusertums insgesamt sechs Baustellen des Bremerhavener Unternehmers D. im Stadtgebiet durchsucht hatten. In fünf Fällen waren sie damals fündig geworden. Auf den Baustellen arbeiteten insgesamt neun Unternehmen mit 31 Personen, unter anderem aus Moldawien, Litauen und der Ukraine.
Mit Dolmetschern im Schwurgerichtssaal
Fünf Angeklagte - drei Männer und zwei Frauen - saßen am Donnerstag mit ihren Anwälten und, soweit erforderlich, mit Dolmetschern im Schwurgerichtssaal der Wirtschaftskammer. Ehe Vorsitzende Richterin Dr. Judith Farokhmanesh mit ihren Kolleginnen den Prozesstag eröffnete, nutzten die Angeklagten das leise Zwiegespräch mit ihrem jeweiligen Rechtsbeistand.

Zwiegespräche vor Verhandlungsbeginn: Hauptangeklagter D. aus Bad Bederkesa sitzt vorne links in der ersten Reihe neben seinem Anwalt. Angeklagte R. unterhält sich mit ihrem Dolmetscher. Foto: Schoener
Anlass und Hintergrund war unter anderem ein nichtöffentlicher Erörterungstermin nach der Sitzung am Montag, in dessen Verlauf Richterin Farokhmanesh mit Blick auf das mögliche Strafmaß detaillierte Verständigungsvorschläge unterbreitet hatte, die sie aufgrund des zu erwartenden Prozessumfangs - angesetzt sind insgesamt 23 Verhandlungstage - zügig auf den Weg gebracht wissen wollte.
Freiheitsstrafen von fünf bis neun Monaten möglich
Demnach könnten vier der fünf Angeklagten mit Bewährungsstrafen von fünf bis neun Monaten rechnen. Voraussetzung dafür: Die jeweiligen Angeklagten müssten sich im Sinne der Anklage geständig zeigen. Eine Abtrennung des Verfahrens, wonach gegen den Hauptangeklagten D. aus Bad Bederkesa gesondert verhandelt werden soll, lehnte die Richterin ab. Das machte sie auch zu Prozessbeginn am Donnerstag noch einmal deutlich. Die Anwälte von vier Angeklagten signalisierten prinzipielle Bereitschaft zu entsprechenden Einlassungen ihrer Mandanten, doch sie sahen weiteren Beratungsbedarf. Die Anwälte von Bauunternehmer D. teilten der Richterin gleich mit, dass sich ihr Mandat zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern werde. Auch deshalb wurde die Hauptverhandlung zunächst für 45 Minuten unterbrochen.
Erneute Befragung nach der Sitzungsunterbrechung
Anschließend befragte Richterin Farokhmanesh erneut die Angeklagten, ob sie denn zu einem Geständnis bereit wären. Rechtsanwältin Petra Stelljes erklärte für ihre Mandantin B. die grundsätzliche Bereitschaft einer entsprechenden Einlassung. Ebenso Rechtsanwalt Rainer Nitschke für seinen Mandanten B. Entsprechende Erklärungen werde auch seine Mandatin machen, kündigte Rechtsanwalt Alexander Ukat für R. an.
Nach den Vorgaben des Gerichts sollen diese Äußerungen unter anderem Angaben enthalten zum persönlichen Werdegang des jeweiligen Angeklagten, zur Rolle in den beteiligten Firmen, zur Anzahl der illegal beschäftigen Mitarbeiter, zu Art und Höhe der Entlohnungen, zum aufenthaltsrechtlichen Status und zur Herkunft der Mitarbeiter, zu den Aufgaben der Mitangeklagten, zur Rolle des Arbeitgebers D. und zur Zusammenarbeit der beteiligten Firmen untereinander. Für den Fall eines solchen Geständnisses wird den Angeklagten eine Freiheitsstraße in Höhe von fünf bis neun Monaten in Aussicht gestellt, die zu einer Bewährungszeit von drei Jahren ausgesetzt werden soll.

Bundespolizisten und ein Zöllner geleiteten im April 2018 einen Arbeitnehmer vom Gelände der Bremerhavener Baufirma des Angeklagten D. zum Mannschaftswagen. Jeder Verdächtige wurde anschließend vernommen. Foto: Lothar Scheschonka
Rechtsanwalt Rainer Nitschke erklärte, dass es mit Blick auf die vorzulegende Namensliste bei seinem Mandanten B. eventuell Probleme geben könnte. „Die Beschäftigten hatten oft nur Spitznamen oder Nummern“, sagte Nitschke, „deshalb wird mein Mandant die meisten wirklichen Namen nicht kennen.“ Vor diesem Hintergrund bat Nitschke die Richterin unter anderem darum, die Äußerungen seines Mandanten nicht gleich zum nächsten Prozesstermin zu erbitten. „Dafür brauchen wir schon noch eine gewisse Zeit.“
„Zum jetzigen Zeitpunkt kein Anlass für eine Erklärung“
Rechtsanwalt Dr. Thomas Nitsche erklärte auf Anfrage, dass er seinen Mandanten Sch. und auch die übrigen Mitangeklagten für nicht schuldig im Sinne der Anklage halte. Eine entsprechende ausführliche Präsentation werde er an einem der nächsten Prozesstage im November dem Gericht vorlegen.
Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Geständnisse kündigte Richterin Farokhmanesh an, dass man ursprünglich geplante Zeugenvernehmungen für Anfang November zunächst auf spätere Verhandlungstage verschieben werde.
Die Verteidiger von Bauunternehmer D. - die Rechtsanwälte Philip Martel und Uwe-Jürgen Bohlen - erklärten auf Anfrage nach der Sitzung: „Wir sehen zum jetzigen Zeitpunkt keinen Anlass für eine Erklärung.“
So geht es weiter im Stader Prozess-Marathon
Nach dem Prozesstag am Donnerstag sind 21 weitere Prozesstage angesetzt. Der nächste findet am Mittwoch, 2. November, statt. Die öffentliche Verhandlung im Schwurgerichtssaal am Landgericht Stade beginnt um 9.30 Uhr.