Mit 64 Jahren ist Harold Kreis angekommen. Auch wenn sich der langjährige Eishockey-Nationalspieler bei der Suche nach einem neuen Bundestrainer in der Vergangenheit nie angebiedert hat, so ist es ein offenes Geheimnis, dass Kreis immer genau das wollte: Eishockey-Bundestrainer sein. Mit Verspätung ist der frühere Verteidiger nun im Amt und bereitet gerade das Nationalteam auf die Testspiele am Donnerstag in Kassel (19.30 Uhr) und am Samstag in Frankfurt (17 Uhr/beide Sport1) gegen Tschechien vor. Die Spiele dienen als Vorbereitung für die WM in Finnland und Lettland (12. bis 28. Mai). „Wir wollen den maximalen Erfolg. Wie auch immer der aussieht“, sagte Kreis. Der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB), Peter Merten, formulierte als Minimalziel bereits unverhohlen: „Erreichen des Viertelfinals“ bei der WM sowie die direkte Olympia-Qualifikation für die Winterspiele 2026 in Mailand. Dafür müsste Deutschland nach aktuellem Stand eine Runde weiter als die Schweiz oder die Slowakei kommen.
Kein Austausch mit Vorgänger Söderholm
Sein deutlich jüngerer Vorgänger Toni Söderholm (44) wünschte Kreis dafür per WhatsApp „viel Glück“. Es gab einen lockeren kurzen Austausch, mehr nicht. Kreis hat klare Vorstellungen von seinem neuen Job, den er unvoreingenommen antreten will. Söderholm verließ den DEB im vergangenen November nach erfolgreichen Jahren Hals über Kopf, um beim SC Bern anzuheuern. Dort ist der Finne nach nur fünf Monaten schon wieder gescheitert, ehe sein Bundestrainer-Nachfolger Kreis überhaupt seinen Job angefangen hat.

Harold Kreis gilt als Trainer, der eine Mannschaft formen kann. Foto: Hoppe/dpa
Nach dem Söderholm-Abgang und der Verpflichtung des erfahrenen DEL-Coaches (Mannheim Düsseldorf, Schwenningen) gab es auch kritische Kommentare, die den Aufschwung des deutschen Eishockeys und den neuen selbstbewussten Spielstil unter den jungen und innovativen Vorgängern Marco Sturm und Toni Söderholm in Gefahr sahen. Doch Kreis beschwichtigte: „Taktisch wird sich nicht viel ändern. Wir werden das Spielerische beibehalten. Die Spieler sollen sicher und selbstbewusst mit der Scheibe umgehen. Ich will keine Mannschaft, die sich nur zurückzieht und defensiv spielt.“ Unterstützt wird Kreis von Alexander Sulzer von den Fischtown Pinguins als Co-Trainer, der diesen Job in Personalunion ausübt. Auch der ehemalige NHL-Verteidiger gilt als jemand, dem die Spieler vertrauen.
Kreis ist bekannt für klare Entscheidungen
Der größte Unterschied dürfte außerhalb des Eises zu erkennen sein. Söderholm soll zwar einen guten und vor allem intensiven Draht zu den Führungsspielern gehabt haben, der Finne galt aber als Zauderer. Kreis ist anders. „Ich komme schnell zur Sache“, sagte der Routinier über sich selbst. Klare Ansprachen und Entscheidungen zeichnen ihn aus. Zudem gilt Kreis als ein Trainer, der binnen kurzer Zeit die Kabine hinter sich vereinen kann und diese im Griff hat.
Kreis wird erst kurz vor dem Abflug nach Finnland am 10. Mai sein bestes Team zusammenhaben. In der Deutschen Eishockey-Liga laufen noch die Playoffs, viele Spieler werden es spät zum Kader dazustoßen.
Franzreb und Wirth bei Testspielen dabei
Das öffnet zumindest in der ersten Phase der Vorbereitung die Tür für andere Spieler, die nominiert wurden. So wie Verteidiger Moritz Wirth und Torhüter Maximilian Franzreb von den Fischtown Pinguins - die ersten Nationalspieler aus Bremerhaven seit mehr als zwei Jahrzehnten. „Es geht darum, einen guten Eindruck zu machen, damit man in der zweiten Woche auch dabei ist“, sagte Franzreb vor Beginn des Vorbereitungslehrgangs im Interview mit der NORDSEE-ZEITUNG. „Wir dürfen es nicht zu verbissen sehen, sondern wollen auch mit Spaß und Freude rangehen. Den Rest entscheiden die Trainer. Du kannst es ihnen nur so schwer wie möglich machen.“ Wolfsburgs Dustin Strahlmeier und Münchens Mathias Niederberger dürften bei der WM als Torhüter gesetzt sein, auch wenn sie beim Lehrgang wegen der Playoffs nicht dabei sind. Franzreb hat aber gute Chancen, als dritter Torhüter mitzufahren. „Ich habe auch ein paar warme Sachen eingepackt, falls es doch nach Finnland geht“, sagte er schmunzelnd. Seine starke Saison bei den Fischtown Pinguins hat den 26-Jährigen noch selbstbewusster gemacht. Auch, was die langfristigen Ziele angeht. „Ich will irgendwann in den nächsten fünf Jahren Deutschlands Nummer eins werden“, sagte Franzreb. Solche ehrgeizigen Zielsetzungen dürften den neuen Bundestrainer Harold Kreis freuen.