Die „Polarstern“ ist aus dem hohen Norden zurückgekehrt. Am Samstagnachmittag wird das Forschungsschiff in Bremerhaven ankommen und im Kaiserhafen III vertäut werden. Von Bord gehen werden 54 Wissenschaftler sowie 43 Besatzungsmitglieder aus 15 Ländern. Viele von ihnen, so das AWI, werden noch eine Nacht in Bremerhaven bleiben, da die Ankunft eigentlich für Sonntag avisiert war. Geleitet wurde die Expedition „ArcWatch-1“ von AWI-Chefin Antje Boetius.

Mario Hoppmann und Daniel Scholtz benutzen das Instrument „Suna“ an einer Eisstation. Foto: Ester Horvarth/AWI
Dicke und Eigenschaften des Meereises vermessen
Die Wissenschaftler haben während ihrer Expedition in der Arktis die Dicke und Eigenschaften des Meereises vermessen, die Strömungen und chemischen Eigenschaften des Ozeans aufgezeichnet und das Leben im und unter dem Eis, im freien Wasser und am Boden der Tiefsee erforscht. Den Nordpol erreichten sie am 7. September.
Eis schmolz nicht so stark ab wie erwartet
Da der Sommer 2023 als der global heißeste Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gilt, erwartete das Expeditionsteam eigentlich besonders wenig Meereis in der zentralen Arktis. Doch: „Die ersten Ergebnisse waren überraschend: Das Meereis des zentralen Arktischen Ozeans schmolz im August und September nicht so weit ab wie erwartet, es war auch dicker als in den Jahren zuvor“, berichteten Antje Boetius und Meereisphysiker Marcel Nicolaus noch von Bord aus am Freitag.
Nur weil es nicht so katastrophal war wie befürchtet, sei aber auf keinen Fall alles gut. „Dieses Jahr hat der Schnee eine besondere Rolle gespielt“, so Nicolaus. Die Schneedecke habe möglicherweise das arktische Eis „gerettet“.

Kai Miehe (l.) und Dwayne McOscar von dem Heli-Team fangen den EM-Bird nach Eisdickemessungen ein. Foto: Esther Horvath
Forscher sprechen von „untypischer Drift“
Ungewöhnlich ist für die Forscher auch die Herkunft des arktischen Eises gewesen. Während es sonst in Küstennähe entstand und von den Sibirisches Schelfen aus in den Arktischen Ozean driftete, hatte sich das nun vorgefundene Eis offenbar auf offener See gebildet. Nicolaus spricht von einer sehr „untypischen Drift“, Boetius von einer „starken Anomalie“. Die Ursache beruht vermutlich auf einem Phänomen von ungewöhnlich stabilen Tiefdruckgebieten.
Typischer Algenbewuchs fehlte
Die AWI-Forscher stellten beim Blick auf die Unterseite des Meereises via Tauchroboter fest, dass der sonst übliche Bewuchs unter dem Eis mit der Eisalge „Melorisa“ kaum vorhanden war. Die Algenwälder seien verschwunden gewesen - für die AWI-Wissenschaftler ein Alarmsignal. „Das Eis war dieses Jahr wie tot“, berichtete Boetius. Ob das mit der Herkunft des Eises zusammenhängt, sei nun Gegenstand weiterer Forschungen. Das gilt auch für die Frage, welche Auswirkungen das auf das planktonische Leben hat.
Expedition „ArcWatch-1“ war auch eine „Zeitreise“
Die Expedition „ArcWatch-1“ führte die Forscher unter anderem an Orte, die schon 1993, 2012 und 2020 von der „Polarstern“ besucht worden waren - und auch an den Nordpol. Unter anderem beschäftigte die Wissenschaftler die Frage, welche Tiere dort leben. „Der Igelwurm ist der typische Nordpol-Bewohner“, erklärte Boetius. Da das Forscherteam aus den unterschiedlichsten Disziplinen zusammengestellt war, wurde die Arktis aus den verschiedensten Perspektiven in den Blick genommen, um die immer rasanter werdenden Veränderungen zu verstehen. Dreimal stieß die Expedition auf Eisbären.
Meeresboden kartiert
Die Forschungen der Expedition ArcWatch-1 schlossen auch Meeresbodenkartierungen von bisher unbekannten Seebergen ein, von denen sich einer als Biodiversitäts-Hotspot entpuppte. Wie Nicolaus berichtete, wurden 73 weitere Forschungsbojen ausgesetzt. Die „Polarstern“ bringe zudem eine Vielzahl von Wasser- und Eisproben mit. „Das letzte Highlight wird das Einlaufen in Bremerhaven“, kündigte Nicolaus am Freitag an.

Aussicht von der „Polarstern“ auf See bei stürmischem Wetter Foto: Alfred-Wegener-Institut / Esther Horvath