Cuxland

Dachdeckerin kritisiert öffentlich: Kunden wollen Auszubildende nicht bezahlen

Eine Dachdecker-Meisterin aus Loxstedt macht ihrem Frust auf Facebook Luft: Immer wieder wollen Kunden den Stundenlohn für Azubis nicht zahlen. Dass sie damit eine Welle der Entrüstung und Unterstützung auslöst, hätte sie allerdings nicht erwartet.

Eine kleine Dachdeckerei aus Loxstedt sorgt mit einem Facebook-Beitrag für emotionale Reaktionen. Es geht um die mangelnde Wertschätzung von Auszubildenden und den Ärger über einige Kunden. Warum bewegt das Thema die Massen?

Eine kleine Dachdeckerei aus Loxstedt sorgt mit einem Facebook-Beitrag für emotionale Reaktionen. Es geht um die mangelnde Wertschätzung von Auszubildenden und den Ärger über einige Kunden. Warum bewegt das Thema die Massen? Foto: Patrick Pleul

Ein Facebook-Post aus Loxstedt bewegt aktuell die Menschen in der Region und weit darüber hinaus. Joana Wegner, Geschäftsführerin des Dachdecker-Betriebs Wegner Bedachungen, hat auf Facebook einen Beitrag über die Wertschätzung von Auszubildenden geschrieben:

„Leider kommt es hin und wieder vor, dass Kunden den in Rechnung gestellten Stundenlohn für unsere Auszubildenden nicht bezahlen wollen. Aussagen wie ‚der stand ja nur da und hat die Leiter festgehalten‘ oder ‚Ich bezahle doch nicht Ihre Ausbildung‘ kommen uns dann zu Ohren.“

Kunde will dem Azubi keinen Lohn zahlen

Zusätzlich hat Joana Wegner die Mail der Dachdeckerei an einen anonymisierten Kunden veröffentlicht. Darin heißt es: „Aus Kulanz haben wir Ihnen wie gewünscht die Lohnkosten unseres Auszubildenden erlassen. Der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel ist in aller Munde. Die Ausbildung ist der einzige Weg, auch in den nächsten Jahren noch fähige MitarbeiterInnen zur Hand zu haben.“

Beendet wird die Mail mit deutlichen Worten an den zukünftigen Ex-Kunden: „Da Ihnen die Ausbildung der Fachkräfte von morgen scheinbar nichts wert ist, möchte ich Sie bitten, beim nächsten Problem mit Ihrem Dach eine andere Dachdeckerei zu kontaktieren.“

Was ist eigentlich passiert?

Kunden wie dieser sind kein Einzelfall, macht die Dachdecker-Meisterin deutlich: „Es passiert nicht täglich, aber bestimmt sieben bis zehn Mal im Jahr, dass sich ein Kunde über den Stundenlohn für den Azubi beschwert.“

In dem konkreten Fall geht es um einen Betrag von 35 Euro, den der Kunde nicht zahlen wollte. „Der Kunde hatte ein Leck im Dach. Der Geselle ist mit einem Azubi dorthin gefahren und hat das Leck gesucht. Der Azubi konnte in diesem Fall tatsächlich nur zugucken, aber es ist wichtig, dass er für die Zukunft lernt, wie man so ein Leck auf dem Dach findet“, erklärt Joana Wegner.

Als die Dachdeckerei dem Kunden einen Kostenvoranschlag für die Reparatur und eine Rechnung für die bereits entstandenen Kosten schickt, weigert sich dieser, die gesamte Rechnung zu begleichen.

Es geht um 35 Euro

„Er wollte die 35 Euro, die ein Azubi für eine Arbeitsstunde bekommt, nicht zahlen. Er meinte, das sei Arbeit für eine Person gewesen. Dazu muss man sagen, dass auf Baustellen laut der Berufsgenossenschaft eigentlich immer mindestens zwei Personen arbeiten müssen. Aber darum geht es nicht mal. Es geht ums Prinzip - um die Wertschätzung, die es in unserer Gesellschaft für Auszubildende im Handwerk gibt“, erklärt sie.

Das Unternehmen erlässt dem Kunden die Lohnkosten - „über 35 Euro diskutieren wir nicht“, sagt Joana Wegner. Aber sie macht den Fall öffentlich und erhält Zuspruch von Hunderten Menschen. Knapp 24 Stunden, nachdem sie den Beitrag auf Facebook gepostet hat, wurde er bereits von 200 Menschen kommentiert und von rund 1.800 Menschen geteilt.

Die Dachdeckerei aus Loxstedt ist nicht alleine

Die Kommentare lauten alle ähnlich:

„Als Inhaber eines Handwerksbetriebes kann ich nur sagen: Alles richtig gemacht. Selbst ungelernte Helfer kosten Geld und müssen bezahlt werden.

Solche Kunden werden sich zukünftig noch umsehen, dass überhaupt noch jemand kommt. Der Firma Wegner weiter viel Erfolg und toll, dass Ihr ausbildet.“

„Danke für eure klare Haltung! Nur durch Ausbildung kann es auch künftig genügend Fachkräfte geben.“

„So muss man zu seinem Beruf und hinter seinen Angestellten/Azubis stehen. Großartig!! Deine Mitarbeiter können froh sein, so eine Chefin zu haben.“

Sogar Daniela Behrens, die Niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, hat den Beitrag kommentiert: „Klare Haltung. Chapeau. Und danke für dieses wichtige Zeichen.“

Beim Dachdecker-Unternehmen Wegner Bedachungen aus Loxstedt arbeiten insgesamt 17 Mitarbeiter. Fünf davon sind Auszubildende.

Beim Dachdecker-Unternehmen Wegner Bedachungen aus Loxstedt arbeiten insgesamt 17 Mitarbeiter. Fünf davon sind Auszubildende. Foto: Jan Woitas

Joana Wegner freut sich über die positive Rückmeldung: „Das ist verrückt! Wir haben zusätzlich so viele Mails und Anrufe mit Zuspruch bekommen. Da haben sich wildfremde Leute die Mühe gemacht, bei uns anzurufen und uns zu sagen, dass sie auf unserer Seite sind.“

Warum ist das Thema so emotional?

Mit ihren Worten rennt sie bei vielen Menschen offene Türen ein - und das ist kein Wunder: Das Handwerk in Deutschland sieht sich mit einem massiven Mangel an Lehrlingen konfrontiert. Knapp 40.000 Ausbildungsstellen sind unbesetzt. Viele Betriebe bemühen sich jedes Jahr intensiv um Nachwuchs. Viele beschweren sich, die mangelnde Wertschätzung sei einer der Gründe für den Nachwuchsmangel. Es ist ein emotionales Thema - und das zeigt sich jetzt in aller Deutlichkeit an den Reaktionen auf den Facebook-Post eines kleinen Unternehmens aus Loxstedt.

Luise Maria Langen

Reporterin

Luise Langen arbeitet seit 2020 als Reporterin für die NORDSEE-ZEITUNG. Von guten Geschichten war die gebürtige Berlinerin aber schon immer begeistert – auch während ihres Germanistik-Studiums in Österreich und der Zeit als Regieassistentin am Stadttheater Bremerhaven.

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